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Lupus alpha

25.07.2022

Die News-Flut führt Investoren in die Irre

Die Nachrichtenlage bleibt unübersichtlich. Energie-, Militär,- Finanz- und Politikexperten streiten über Sachstand, unausweichliche Folgen und mögliche Lösungen. Die Zentralbanken wirken hilflos. Die Wirtschaft mahnt. Volkswirte bleiben oft vage. Börsengurus liegen ohnehin meist falsch. Die Mitglieder in den Anlagegremien werden nervös, gerade wenn sie nicht vom Kapitalmarktfach sind. Alle anderen aber auch. Man muss sich Fragen gefallen lassen: Stimmt die Strategie noch? Statt jetzt in hektischen Aktionismus zu verfallen, täte uns allen ein Nachrichten-Detox gut.

 

Oliver Böttger, Partner, Senior Relationship Manager und Leiter Vertrieb Wholesale bei Lupus alpha

Die Verunsicherung unter Investoren ist groß. Und sie ist auch deshalb derart ausgeprägt, weil so unglaublich viele Nachrichten aus den unterschiedlichsten Richtungen sowie Konjunktur- und Markteinschätzungen widersprüchlichster Art auf uns einprasseln – nicht mehr täglich, sondern inzwischen stündlich bis minütlich – man denke nur an die unvermeidliche Spätabendtalkshow, an Twitter oder an die inflationär von Medien ventilierten „Breaking News“.

Welche Folgen hat der Ukraine-Krieg? Wann und wie stark kommt die nächste Corona-Welle? Was passiert in China und Taiwan? Kommen die Lieferketten wieder in Gang? Wird durch Nord Stream 1 verlässlich Gas fließen? Wie entwickelt sich die Inflation? Wie schnell steigen die Zinsen – und wie weit? Wer sind die Gewinner der Krise? Wie lange dauert der Bärenmarkt? Und warum ist’s am Rhein so schön?

Nein, die letzte Frage ziehe ich zurück, denn alle anderen Themen sind ernst bis schwerwiegend. Meine Beobachtung aber ist: Irgendwann ist auch der letzte Investor von der Kakophonie an Nachrichten und Einschätzungen weichgekocht. Betrifft das nur Privatanleger? Keineswegs. Wir erleben auch unter unseren institutionellen Kunden ganz unterschiedliche Reaktionen – vom Neuinvestment über die ruhige Hand bis hin zum hektischen, von außen nicht immer nachvollziehbaren Agieren.

Dass gerade Stakeholder institutioneller Vermögen getrieben sind von sich häufenden schlechten Nachrichten, ist psychologisch verständlich: Sie tragen eine (Mit-) Verantwortung für Entscheidungen, die größtenteils außerhalb ihrer persönlichen Handlungsmacht stehen. CIOs, ihre Teams und andere für die Kapitalanlage eines institutionellen Vermögens Verantwortliche stehen in diesem Umfeld vor zwei großen Herausforderungen: Erstens, sich selbst nicht anstecken zu lassen von der Verunsicherung.

Und zweitens, eine angemessene Kommunikation. Wenn das Depot A einer Sparkasse vor den Augen von Bürgermeister und Stadtparlament vermeintlich wegzuschmelzen scheint, ist proaktive, transparente und selbstbewusste Kommunikation gefordert. Oder, wenn der Studienrat im Stiftungsbeirat einen sofortigen Verkauf aller Aktien fordert. Oder, wenn der Vorstand einer Versicherung die Anlagestrategie grundlegend hinterfragt. Sicherlich aber auch, wenn Privatkunden über die Empfehlungen ihrer Bank höchst unglücklich sind und ihre Fonds verkaufen wollen.

 

Mir fallen drei Dinge dazu ein …

1. Medienkompetenz: Nicht über das Stöckchen jeder Nachricht springen. Ein Beispiel aus den vergangenen Tagen: Dienstag vor einer Woche meldeten zwei Nachrichtenagenturen „aus informierten Kreisen“, nach Ende der Wartungsarbeiten würde wieder Gas durch Nord Stream 1 fließen. Der dümpelnde Dax schoss binnen Minuten steil in die Höhe und ging mit satten 2,69 Prozent Tagesplus aus dem Handel. Am Mittwoch hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „einen Gas-Lieferstopp für wahrscheinlich“. Und ab Donnerstag floss das Gas wieder, allerdings nur mit einem Drittel Kapazität. Drei Tage, drei unterschiedliche Szenarien. Geändert hat sich unterm Strich aber nichts. Derweil bröckelte der Dax wieder ab. Ein Beispiel, das uns lehrt, stets die Ruhe und eine gesunde Skepsis zu bewahren. Wir können nicht jede Nachricht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Wir sollten aber immer in Betracht ziehen, dass morgen schon das Gegenteil gemeldet werden könnte.

2. Einordnung: Wir wissen alle nicht, was morgen passiert, nicht Volkswirte, nicht Marktbeobachter, und auch nicht politische Experten. Was morgen passiert, hängt davon ab, was morgen in den Köpfen von Menschen vorgeht, wie sie morgen agieren, welche Ziele sie sich morgen setzen, welche Lösungen sie morgen finden. All das ist heute nicht bekannt. Von heutigen Ereignissen sicher auf morgen zu schließen, ist deshalb gewagt. Natürlich ist es wichtig, Ereignisse in einen großen Zusammenhang einzuordnen. Aber je größer dieser Zusammenhang ist, desto komplexer ist er – und desto weniger prognostizierbar. Es grenzt deshalb an Hybris, sich daran zu versuchen – die „Bald-bricht-der-Euro-zusammen“-Auguren lassen grüßen. Die „Es-gibt-nie-wieder-Zinsen“-Experten übrigens auch.

3. Strategie: Jetzt nicht hektisch die Anlagestrategie ändern. Eine strategische Allokation sollte in der Lage sein, über mehrere Zyklen zu funktionieren. In guten Zeiten kann man sich überlegen, ob und wie man seine strategische Allokation ändern sollte, aber nie getrieben von schlechten Nachrichten und fallenden Kursen. Nicht eine neue Strategie ist die Antwort auf eine Krise, sondern kontinuierliches Rebalancing: Was überproportional gefallen ist, wird nachgekauft. Und in guten Zeiten wird verkauft, was überproportional gestiegen ist. Wer dieser Strategie gefolgt ist, hatte nicht einmal nach dem Platzen der Dotcom-Blase ein größeres Problem, weil Dotcom-Aktien im Rahmen eines Rebalancing immer wieder verkauft wurden und deshalb innerhalb der Aktienallokation nie ein übermäßiges Gewicht bekommen konnten.

 

Den klassischen Doppelfehler vermeiden

Dagegen sieht das Ergebnis einer überhasteten Strategie-Revision so aus: Erst zu spät ausgestiegen, dann zu spät wieder eingestiegen. Ein klassischer Doppelfehler, der im Tennis einen Punkt kostet, im Asset Management im Zweifel aber viel Rendite. Deshalb: Nicht beirren lassen. Strategisch agieren. Taktisch handeln im Rahmen der Strategie – aber nicht impulsiv aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage oder der neuesten Expertenmeinung. Noch besser: Nicht nur auf die Großwetterlage schauen, sondern vor allem auf die einzelnen Unternehmen. Wenn die gut sind, wird alles gut. Auch im Portfolio.

Lupus alpha

25.07.2022

Die News-Flut führt Investoren in die Irre

Die Nachrichtenlage bleibt unübersichtlich. Energie-, Militär,- Finanz- und Politikexperten streiten über Sachstand, unausweichliche Folgen und mögliche Lösungen. Die Zentralbanken wirken hilflos. Die Wirtschaft mahnt. Volkswirte bleiben oft vage. Börsengurus liegen ohnehin meist falsch. Die Mitglieder in den Anlagegremien werden nervös, gerade wenn sie nicht vom Kapitalmarktfach sind. Alle anderen aber auch. Man muss sich Fragen gefallen lassen: Stimmt die Strategie noch? Statt jetzt in hektischen Aktionismus zu verfallen, täte uns allen ein Nachrichten-Detox gut.

 

Oliver Böttger, Partner, Senior Relationship Manager und Leiter Vertrieb Wholesale bei Lupus alpha

Die Verunsicherung unter Investoren ist groß. Und sie ist auch deshalb derart ausgeprägt, weil so unglaublich viele Nachrichten aus den unterschiedlichsten Richtungen sowie Konjunktur- und Markteinschätzungen widersprüchlichster Art auf uns einprasseln – nicht mehr täglich, sondern inzwischen stündlich bis minütlich – man denke nur an die unvermeidliche Spätabendtalkshow, an Twitter oder an die inflationär von Medien ventilierten „Breaking News“.

Welche Folgen hat der Ukraine-Krieg? Wann und wie stark kommt die nächste Corona-Welle? Was passiert in China und Taiwan? Kommen die Lieferketten wieder in Gang? Wird durch Nord Stream 1 verlässlich Gas fließen? Wie entwickelt sich die Inflation? Wie schnell steigen die Zinsen – und wie weit? Wer sind die Gewinner der Krise? Wie lange dauert der Bärenmarkt? Und warum ist’s am Rhein so schön?

Nein, die letzte Frage ziehe ich zurück, denn alle anderen Themen sind ernst bis schwerwiegend. Meine Beobachtung aber ist: Irgendwann ist auch der letzte Investor von der Kakophonie an Nachrichten und Einschätzungen weichgekocht. Betrifft das nur Privatanleger? Keineswegs. Wir erleben auch unter unseren institutionellen Kunden ganz unterschiedliche Reaktionen – vom Neuinvestment über die ruhige Hand bis hin zum hektischen, von außen nicht immer nachvollziehbaren Agieren.

Dass gerade Stakeholder institutioneller Vermögen getrieben sind von sich häufenden schlechten Nachrichten, ist psychologisch verständlich: Sie tragen eine (Mit-) Verantwortung für Entscheidungen, die größtenteils außerhalb ihrer persönlichen Handlungsmacht stehen. CIOs, ihre Teams und andere für die Kapitalanlage eines institutionellen Vermögens Verantwortliche stehen in diesem Umfeld vor zwei großen Herausforderungen: Erstens, sich selbst nicht anstecken zu lassen von der Verunsicherung.

Und zweitens, eine angemessene Kommunikation. Wenn das Depot A einer Sparkasse vor den Augen von Bürgermeister und Stadtparlament vermeintlich wegzuschmelzen scheint, ist proaktive, transparente und selbstbewusste Kommunikation gefordert. Oder, wenn der Studienrat im Stiftungsbeirat einen sofortigen Verkauf aller Aktien fordert. Oder, wenn der Vorstand einer Versicherung die Anlagestrategie grundlegend hinterfragt. Sicherlich aber auch, wenn Privatkunden über die Empfehlungen ihrer Bank höchst unglücklich sind und ihre Fonds verkaufen wollen.

 

Mir fallen drei Dinge dazu ein …

1. Medienkompetenz: Nicht über das Stöckchen jeder Nachricht springen. Ein Beispiel aus den vergangenen Tagen: Dienstag vor einer Woche meldeten zwei Nachrichtenagenturen „aus informierten Kreisen“, nach Ende der Wartungsarbeiten würde wieder Gas durch Nord Stream 1 fließen. Der dümpelnde Dax schoss binnen Minuten steil in die Höhe und ging mit satten 2,69 Prozent Tagesplus aus dem Handel. Am Mittwoch hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „einen Gas-Lieferstopp für wahrscheinlich“. Und ab Donnerstag floss das Gas wieder, allerdings nur mit einem Drittel Kapazität. Drei Tage, drei unterschiedliche Szenarien. Geändert hat sich unterm Strich aber nichts. Derweil bröckelte der Dax wieder ab. Ein Beispiel, das uns lehrt, stets die Ruhe und eine gesunde Skepsis zu bewahren. Wir können nicht jede Nachricht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Wir sollten aber immer in Betracht ziehen, dass morgen schon das Gegenteil gemeldet werden könnte.

2. Einordnung: Wir wissen alle nicht, was morgen passiert, nicht Volkswirte, nicht Marktbeobachter, und auch nicht politische Experten. Was morgen passiert, hängt davon ab, was morgen in den Köpfen von Menschen vorgeht, wie sie morgen agieren, welche Ziele sie sich morgen setzen, welche Lösungen sie morgen finden. All das ist heute nicht bekannt. Von heutigen Ereignissen sicher auf morgen zu schließen, ist deshalb gewagt. Natürlich ist es wichtig, Ereignisse in einen großen Zusammenhang einzuordnen. Aber je größer dieser Zusammenhang ist, desto komplexer ist er – und desto weniger prognostizierbar. Es grenzt deshalb an Hybris, sich daran zu versuchen – die „Bald-bricht-der-Euro-zusammen“-Auguren lassen grüßen. Die „Es-gibt-nie-wieder-Zinsen“-Experten übrigens auch.

3. Strategie: Jetzt nicht hektisch die Anlagestrategie ändern. Eine strategische Allokation sollte in der Lage sein, über mehrere Zyklen zu funktionieren. In guten Zeiten kann man sich überlegen, ob und wie man seine strategische Allokation ändern sollte, aber nie getrieben von schlechten Nachrichten und fallenden Kursen. Nicht eine neue Strategie ist die Antwort auf eine Krise, sondern kontinuierliches Rebalancing: Was überproportional gefallen ist, wird nachgekauft. Und in guten Zeiten wird verkauft, was überproportional gestiegen ist. Wer dieser Strategie gefolgt ist, hatte nicht einmal nach dem Platzen der Dotcom-Blase ein größeres Problem, weil Dotcom-Aktien im Rahmen eines Rebalancing immer wieder verkauft wurden und deshalb innerhalb der Aktienallokation nie ein übermäßiges Gewicht bekommen konnten.

 

Den klassischen Doppelfehler vermeiden

Dagegen sieht das Ergebnis einer überhasteten Strategie-Revision so aus: Erst zu spät ausgestiegen, dann zu spät wieder eingestiegen. Ein klassischer Doppelfehler, der im Tennis einen Punkt kostet, im Asset Management im Zweifel aber viel Rendite. Deshalb: Nicht beirren lassen. Strategisch agieren. Taktisch handeln im Rahmen der Strategie – aber nicht impulsiv aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage oder der neuesten Expertenmeinung. Noch besser: Nicht nur auf die Großwetterlage schauen, sondern vor allem auf die einzelnen Unternehmen. Wenn die gut sind, wird alles gut. Auch im Portfolio.

Lupus alpha

25.07.2022

Die News-Flut führt Investoren in die Irre

Die Nachrichtenlage bleibt unübersichtlich. Energie-, Militär,- Finanz- und Politikexperten streiten über Sachstand, unausweichliche Folgen und mögliche Lösungen. Die Zentralbanken wirken hilflos. Die Wirtschaft mahnt. Volkswirte bleiben oft vage. Börsengurus liegen ohnehin meist falsch. Die Mitglieder in den Anlagegremien werden nervös, gerade wenn sie nicht vom Kapitalmarktfach sind. Alle anderen aber auch. Man muss sich Fragen gefallen lassen: Stimmt die Strategie noch? Statt jetzt in hektischen Aktionismus zu verfallen, täte uns allen ein Nachrichten-Detox gut.

 

Oliver Böttger, Partner, Senior Relationship Manager und Leiter Vertrieb Wholesale bei Lupus alpha

Die Verunsicherung unter Investoren ist groß. Und sie ist auch deshalb derart ausgeprägt, weil so unglaublich viele Nachrichten aus den unterschiedlichsten Richtungen sowie Konjunktur- und Markteinschätzungen widersprüchlichster Art auf uns einprasseln – nicht mehr täglich, sondern inzwischen stündlich bis minütlich – man denke nur an die unvermeidliche Spätabendtalkshow, an Twitter oder an die inflationär von Medien ventilierten „Breaking News“.

Welche Folgen hat der Ukraine-Krieg? Wann und wie stark kommt die nächste Corona-Welle? Was passiert in China und Taiwan? Kommen die Lieferketten wieder in Gang? Wird durch Nord Stream 1 verlässlich Gas fließen? Wie entwickelt sich die Inflation? Wie schnell steigen die Zinsen – und wie weit? Wer sind die Gewinner der Krise? Wie lange dauert der Bärenmarkt? Und warum ist’s am Rhein so schön?

Nein, die letzte Frage ziehe ich zurück, denn alle anderen Themen sind ernst bis schwerwiegend. Meine Beobachtung aber ist: Irgendwann ist auch der letzte Investor von der Kakophonie an Nachrichten und Einschätzungen weichgekocht. Betrifft das nur Privatanleger? Keineswegs. Wir erleben auch unter unseren institutionellen Kunden ganz unterschiedliche Reaktionen – vom Neuinvestment über die ruhige Hand bis hin zum hektischen, von außen nicht immer nachvollziehbaren Agieren.

Dass gerade Stakeholder institutioneller Vermögen getrieben sind von sich häufenden schlechten Nachrichten, ist psychologisch verständlich: Sie tragen eine (Mit-) Verantwortung für Entscheidungen, die größtenteils außerhalb ihrer persönlichen Handlungsmacht stehen. CIOs, ihre Teams und andere für die Kapitalanlage eines institutionellen Vermögens Verantwortliche stehen in diesem Umfeld vor zwei großen Herausforderungen: Erstens, sich selbst nicht anstecken zu lassen von der Verunsicherung.

Und zweitens, eine angemessene Kommunikation. Wenn das Depot A einer Sparkasse vor den Augen von Bürgermeister und Stadtparlament vermeintlich wegzuschmelzen scheint, ist proaktive, transparente und selbstbewusste Kommunikation gefordert. Oder, wenn der Studienrat im Stiftungsbeirat einen sofortigen Verkauf aller Aktien fordert. Oder, wenn der Vorstand einer Versicherung die Anlagestrategie grundlegend hinterfragt. Sicherlich aber auch, wenn Privatkunden über die Empfehlungen ihrer Bank höchst unglücklich sind und ihre Fonds verkaufen wollen.

 

Mir fallen drei Dinge dazu ein …

1. Medienkompetenz: Nicht über das Stöckchen jeder Nachricht springen. Ein Beispiel aus den vergangenen Tagen: Dienstag vor einer Woche meldeten zwei Nachrichtenagenturen „aus informierten Kreisen“, nach Ende der Wartungsarbeiten würde wieder Gas durch Nord Stream 1 fließen. Der dümpelnde Dax schoss binnen Minuten steil in die Höhe und ging mit satten 2,69 Prozent Tagesplus aus dem Handel. Am Mittwoch hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „einen Gas-Lieferstopp für wahrscheinlich“. Und ab Donnerstag floss das Gas wieder, allerdings nur mit einem Drittel Kapazität. Drei Tage, drei unterschiedliche Szenarien. Geändert hat sich unterm Strich aber nichts. Derweil bröckelte der Dax wieder ab. Ein Beispiel, das uns lehrt, stets die Ruhe und eine gesunde Skepsis zu bewahren. Wir können nicht jede Nachricht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Wir sollten aber immer in Betracht ziehen, dass morgen schon das Gegenteil gemeldet werden könnte.

2. Einordnung: Wir wissen alle nicht, was morgen passiert, nicht Volkswirte, nicht Marktbeobachter, und auch nicht politische Experten. Was morgen passiert, hängt davon ab, was morgen in den Köpfen von Menschen vorgeht, wie sie morgen agieren, welche Ziele sie sich morgen setzen, welche Lösungen sie morgen finden. All das ist heute nicht bekannt. Von heutigen Ereignissen sicher auf morgen zu schließen, ist deshalb gewagt. Natürlich ist es wichtig, Ereignisse in einen großen Zusammenhang einzuordnen. Aber je größer dieser Zusammenhang ist, desto komplexer ist er – und desto weniger prognostizierbar. Es grenzt deshalb an Hybris, sich daran zu versuchen – die „Bald-bricht-der-Euro-zusammen“-Auguren lassen grüßen. Die „Es-gibt-nie-wieder-Zinsen“-Experten übrigens auch.

3. Strategie: Jetzt nicht hektisch die Anlagestrategie ändern. Eine strategische Allokation sollte in der Lage sein, über mehrere Zyklen zu funktionieren. In guten Zeiten kann man sich überlegen, ob und wie man seine strategische Allokation ändern sollte, aber nie getrieben von schlechten Nachrichten und fallenden Kursen. Nicht eine neue Strategie ist die Antwort auf eine Krise, sondern kontinuierliches Rebalancing: Was überproportional gefallen ist, wird nachgekauft. Und in guten Zeiten wird verkauft, was überproportional gestiegen ist. Wer dieser Strategie gefolgt ist, hatte nicht einmal nach dem Platzen der Dotcom-Blase ein größeres Problem, weil Dotcom-Aktien im Rahmen eines Rebalancing immer wieder verkauft wurden und deshalb innerhalb der Aktienallokation nie ein übermäßiges Gewicht bekommen konnten.

 

Den klassischen Doppelfehler vermeiden

Dagegen sieht das Ergebnis einer überhasteten Strategie-Revision so aus: Erst zu spät ausgestiegen, dann zu spät wieder eingestiegen. Ein klassischer Doppelfehler, der im Tennis einen Punkt kostet, im Asset Management im Zweifel aber viel Rendite. Deshalb: Nicht beirren lassen. Strategisch agieren. Taktisch handeln im Rahmen der Strategie – aber nicht impulsiv aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage oder der neuesten Expertenmeinung. Noch besser: Nicht nur auf die Großwetterlage schauen, sondern vor allem auf die einzelnen Unternehmen. Wenn die gut sind, wird alles gut. Auch im Portfolio.

Lupus alpha

25.07.2022

Die News-Flut führt Investoren in die Irre

Die Nachrichtenlage bleibt unübersichtlich. Energie-, Militär,- Finanz- und Politikexperten streiten über Sachstand, unausweichliche Folgen und mögliche Lösungen. Die Zentralbanken wirken hilflos. Die Wirtschaft mahnt. Volkswirte bleiben oft vage. Börsengurus liegen ohnehin meist falsch. Die Mitglieder in den Anlagegremien werden nervös, gerade wenn sie nicht vom Kapitalmarktfach sind. Alle anderen aber auch. Man muss sich Fragen gefallen lassen: Stimmt die Strategie noch? Statt jetzt in hektischen Aktionismus zu verfallen, täte uns allen ein Nachrichten-Detox gut.

 

Oliver Böttger, Partner, Senior Relationship Manager und Leiter Vertrieb Wholesale bei Lupus alpha

Die Verunsicherung unter Investoren ist groß. Und sie ist auch deshalb derart ausgeprägt, weil so unglaublich viele Nachrichten aus den unterschiedlichsten Richtungen sowie Konjunktur- und Markteinschätzungen widersprüchlichster Art auf uns einprasseln – nicht mehr täglich, sondern inzwischen stündlich bis minütlich – man denke nur an die unvermeidliche Spätabendtalkshow, an Twitter oder an die inflationär von Medien ventilierten „Breaking News“.

Welche Folgen hat der Ukraine-Krieg? Wann und wie stark kommt die nächste Corona-Welle? Was passiert in China und Taiwan? Kommen die Lieferketten wieder in Gang? Wird durch Nord Stream 1 verlässlich Gas fließen? Wie entwickelt sich die Inflation? Wie schnell steigen die Zinsen – und wie weit? Wer sind die Gewinner der Krise? Wie lange dauert der Bärenmarkt? Und warum ist’s am Rhein so schön?

Nein, die letzte Frage ziehe ich zurück, denn alle anderen Themen sind ernst bis schwerwiegend. Meine Beobachtung aber ist: Irgendwann ist auch der letzte Investor von der Kakophonie an Nachrichten und Einschätzungen weichgekocht. Betrifft das nur Privatanleger? Keineswegs. Wir erleben auch unter unseren institutionellen Kunden ganz unterschiedliche Reaktionen – vom Neuinvestment über die ruhige Hand bis hin zum hektischen, von außen nicht immer nachvollziehbaren Agieren.

Dass gerade Stakeholder institutioneller Vermögen getrieben sind von sich häufenden schlechten Nachrichten, ist psychologisch verständlich: Sie tragen eine (Mit-) Verantwortung für Entscheidungen, die größtenteils außerhalb ihrer persönlichen Handlungsmacht stehen. CIOs, ihre Teams und andere für die Kapitalanlage eines institutionellen Vermögens Verantwortliche stehen in diesem Umfeld vor zwei großen Herausforderungen: Erstens, sich selbst nicht anstecken zu lassen von der Verunsicherung.

Und zweitens, eine angemessene Kommunikation. Wenn das Depot A einer Sparkasse vor den Augen von Bürgermeister und Stadtparlament vermeintlich wegzuschmelzen scheint, ist proaktive, transparente und selbstbewusste Kommunikation gefordert. Oder, wenn der Studienrat im Stiftungsbeirat einen sofortigen Verkauf aller Aktien fordert. Oder, wenn der Vorstand einer Versicherung die Anlagestrategie grundlegend hinterfragt. Sicherlich aber auch, wenn Privatkunden über die Empfehlungen ihrer Bank höchst unglücklich sind und ihre Fonds verkaufen wollen.

 

Mir fallen drei Dinge dazu ein …

1. Medienkompetenz: Nicht über das Stöckchen jeder Nachricht springen. Ein Beispiel aus den vergangenen Tagen: Dienstag vor einer Woche meldeten zwei Nachrichtenagenturen „aus informierten Kreisen“, nach Ende der Wartungsarbeiten würde wieder Gas durch Nord Stream 1 fließen. Der dümpelnde Dax schoss binnen Minuten steil in die Höhe und ging mit satten 2,69 Prozent Tagesplus aus dem Handel. Am Mittwoch hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „einen Gas-Lieferstopp für wahrscheinlich“. Und ab Donnerstag floss das Gas wieder, allerdings nur mit einem Drittel Kapazität. Drei Tage, drei unterschiedliche Szenarien. Geändert hat sich unterm Strich aber nichts. Derweil bröckelte der Dax wieder ab. Ein Beispiel, das uns lehrt, stets die Ruhe und eine gesunde Skepsis zu bewahren. Wir können nicht jede Nachricht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Wir sollten aber immer in Betracht ziehen, dass morgen schon das Gegenteil gemeldet werden könnte.

2. Einordnung: Wir wissen alle nicht, was morgen passiert, nicht Volkswirte, nicht Marktbeobachter, und auch nicht politische Experten. Was morgen passiert, hängt davon ab, was morgen in den Köpfen von Menschen vorgeht, wie sie morgen agieren, welche Ziele sie sich morgen setzen, welche Lösungen sie morgen finden. All das ist heute nicht bekannt. Von heutigen Ereignissen sicher auf morgen zu schließen, ist deshalb gewagt. Natürlich ist es wichtig, Ereignisse in einen großen Zusammenhang einzuordnen. Aber je größer dieser Zusammenhang ist, desto komplexer ist er – und desto weniger prognostizierbar. Es grenzt deshalb an Hybris, sich daran zu versuchen – die „Bald-bricht-der-Euro-zusammen“-Auguren lassen grüßen. Die „Es-gibt-nie-wieder-Zinsen“-Experten übrigens auch.

3. Strategie: Jetzt nicht hektisch die Anlagestrategie ändern. Eine strategische Allokation sollte in der Lage sein, über mehrere Zyklen zu funktionieren. In guten Zeiten kann man sich überlegen, ob und wie man seine strategische Allokation ändern sollte, aber nie getrieben von schlechten Nachrichten und fallenden Kursen. Nicht eine neue Strategie ist die Antwort auf eine Krise, sondern kontinuierliches Rebalancing: Was überproportional gefallen ist, wird nachgekauft. Und in guten Zeiten wird verkauft, was überproportional gestiegen ist. Wer dieser Strategie gefolgt ist, hatte nicht einmal nach dem Platzen der Dotcom-Blase ein größeres Problem, weil Dotcom-Aktien im Rahmen eines Rebalancing immer wieder verkauft wurden und deshalb innerhalb der Aktienallokation nie ein übermäßiges Gewicht bekommen konnten.

 

Den klassischen Doppelfehler vermeiden

Dagegen sieht das Ergebnis einer überhasteten Strategie-Revision so aus: Erst zu spät ausgestiegen, dann zu spät wieder eingestiegen. Ein klassischer Doppelfehler, der im Tennis einen Punkt kostet, im Asset Management im Zweifel aber viel Rendite. Deshalb: Nicht beirren lassen. Strategisch agieren. Taktisch handeln im Rahmen der Strategie – aber nicht impulsiv aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage oder der neuesten Expertenmeinung. Noch besser: Nicht nur auf die Großwetterlage schauen, sondern vor allem auf die einzelnen Unternehmen. Wenn die gut sind, wird alles gut. Auch im Portfolio.

Lupus alpha

25.07.2022

Die News-Flut führt Investoren in die Irre

Die Nachrichtenlage bleibt unübersichtlich. Energie-, Militär,- Finanz- und Politikexperten streiten über Sachstand, unausweichliche Folgen und mögliche Lösungen. Die Zentralbanken wirken hilflos. Die Wirtschaft mahnt. Volkswirte bleiben oft vage. Börsengurus liegen ohnehin meist falsch. Die Mitglieder in den Anlagegremien werden nervös, gerade wenn sie nicht vom Kapitalmarktfach sind. Alle anderen aber auch. Man muss sich Fragen gefallen lassen: Stimmt die Strategie noch? Statt jetzt in hektischen Aktionismus zu verfallen, täte uns allen ein Nachrichten-Detox gut.

 

Oliver Böttger, Partner, Senior Relationship Manager und Leiter Vertrieb Wholesale bei Lupus alpha

Die Verunsicherung unter Investoren ist groß. Und sie ist auch deshalb derart ausgeprägt, weil so unglaublich viele Nachrichten aus den unterschiedlichsten Richtungen sowie Konjunktur- und Markteinschätzungen widersprüchlichster Art auf uns einprasseln – nicht mehr täglich, sondern inzwischen stündlich bis minütlich – man denke nur an die unvermeidliche Spätabendtalkshow, an Twitter oder an die inflationär von Medien ventilierten „Breaking News“.

Welche Folgen hat der Ukraine-Krieg? Wann und wie stark kommt die nächste Corona-Welle? Was passiert in China und Taiwan? Kommen die Lieferketten wieder in Gang? Wird durch Nord Stream 1 verlässlich Gas fließen? Wie entwickelt sich die Inflation? Wie schnell steigen die Zinsen – und wie weit? Wer sind die Gewinner der Krise? Wie lange dauert der Bärenmarkt? Und warum ist’s am Rhein so schön?

Nein, die letzte Frage ziehe ich zurück, denn alle anderen Themen sind ernst bis schwerwiegend. Meine Beobachtung aber ist: Irgendwann ist auch der letzte Investor von der Kakophonie an Nachrichten und Einschätzungen weichgekocht. Betrifft das nur Privatanleger? Keineswegs. Wir erleben auch unter unseren institutionellen Kunden ganz unterschiedliche Reaktionen – vom Neuinvestment über die ruhige Hand bis hin zum hektischen, von außen nicht immer nachvollziehbaren Agieren.

Dass gerade Stakeholder institutioneller Vermögen getrieben sind von sich häufenden schlechten Nachrichten, ist psychologisch verständlich: Sie tragen eine (Mit-) Verantwortung für Entscheidungen, die größtenteils außerhalb ihrer persönlichen Handlungsmacht stehen. CIOs, ihre Teams und andere für die Kapitalanlage eines institutionellen Vermögens Verantwortliche stehen in diesem Umfeld vor zwei großen Herausforderungen: Erstens, sich selbst nicht anstecken zu lassen von der Verunsicherung.

Und zweitens, eine angemessene Kommunikation. Wenn das Depot A einer Sparkasse vor den Augen von Bürgermeister und Stadtparlament vermeintlich wegzuschmelzen scheint, ist proaktive, transparente und selbstbewusste Kommunikation gefordert. Oder, wenn der Studienrat im Stiftungsbeirat einen sofortigen Verkauf aller Aktien fordert. Oder, wenn der Vorstand einer Versicherung die Anlagestrategie grundlegend hinterfragt. Sicherlich aber auch, wenn Privatkunden über die Empfehlungen ihrer Bank höchst unglücklich sind und ihre Fonds verkaufen wollen.

 

Mir fallen drei Dinge dazu ein …

1. Medienkompetenz: Nicht über das Stöckchen jeder Nachricht springen. Ein Beispiel aus den vergangenen Tagen: Dienstag vor einer Woche meldeten zwei Nachrichtenagenturen „aus informierten Kreisen“, nach Ende der Wartungsarbeiten würde wieder Gas durch Nord Stream 1 fließen. Der dümpelnde Dax schoss binnen Minuten steil in die Höhe und ging mit satten 2,69 Prozent Tagesplus aus dem Handel. Am Mittwoch hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „einen Gas-Lieferstopp für wahrscheinlich“. Und ab Donnerstag floss das Gas wieder, allerdings nur mit einem Drittel Kapazität. Drei Tage, drei unterschiedliche Szenarien. Geändert hat sich unterm Strich aber nichts. Derweil bröckelte der Dax wieder ab. Ein Beispiel, das uns lehrt, stets die Ruhe und eine gesunde Skepsis zu bewahren. Wir können nicht jede Nachricht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Wir sollten aber immer in Betracht ziehen, dass morgen schon das Gegenteil gemeldet werden könnte.

2. Einordnung: Wir wissen alle nicht, was morgen passiert, nicht Volkswirte, nicht Marktbeobachter, und auch nicht politische Experten. Was morgen passiert, hängt davon ab, was morgen in den Köpfen von Menschen vorgeht, wie sie morgen agieren, welche Ziele sie sich morgen setzen, welche Lösungen sie morgen finden. All das ist heute nicht bekannt. Von heutigen Ereignissen sicher auf morgen zu schließen, ist deshalb gewagt. Natürlich ist es wichtig, Ereignisse in einen großen Zusammenhang einzuordnen. Aber je größer dieser Zusammenhang ist, desto komplexer ist er – und desto weniger prognostizierbar. Es grenzt deshalb an Hybris, sich daran zu versuchen – die „Bald-bricht-der-Euro-zusammen“-Auguren lassen grüßen. Die „Es-gibt-nie-wieder-Zinsen“-Experten übrigens auch.

3. Strategie: Jetzt nicht hektisch die Anlagestrategie ändern. Eine strategische Allokation sollte in der Lage sein, über mehrere Zyklen zu funktionieren. In guten Zeiten kann man sich überlegen, ob und wie man seine strategische Allokation ändern sollte, aber nie getrieben von schlechten Nachrichten und fallenden Kursen. Nicht eine neue Strategie ist die Antwort auf eine Krise, sondern kontinuierliches Rebalancing: Was überproportional gefallen ist, wird nachgekauft. Und in guten Zeiten wird verkauft, was überproportional gestiegen ist. Wer dieser Strategie gefolgt ist, hatte nicht einmal nach dem Platzen der Dotcom-Blase ein größeres Problem, weil Dotcom-Aktien im Rahmen eines Rebalancing immer wieder verkauft wurden und deshalb innerhalb der Aktienallokation nie ein übermäßiges Gewicht bekommen konnten.

 

Den klassischen Doppelfehler vermeiden

Dagegen sieht das Ergebnis einer überhasteten Strategie-Revision so aus: Erst zu spät ausgestiegen, dann zu spät wieder eingestiegen. Ein klassischer Doppelfehler, der im Tennis einen Punkt kostet, im Asset Management im Zweifel aber viel Rendite. Deshalb: Nicht beirren lassen. Strategisch agieren. Taktisch handeln im Rahmen der Strategie – aber nicht impulsiv aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage oder der neuesten Expertenmeinung. Noch besser: Nicht nur auf die Großwetterlage schauen, sondern vor allem auf die einzelnen Unternehmen. Wenn die gut sind, wird alles gut. Auch im Portfolio.

Lupus alpha

25.07.2022

Die News-Flut führt Investoren in die Irre

Die Nachrichtenlage bleibt unübersichtlich. Energie-, Militär,- Finanz- und Politikexperten streiten über Sachstand, unausweichliche Folgen und mögliche Lösungen. Die Zentralbanken wirken hilflos. Die Wirtschaft mahnt. Volkswirte bleiben oft vage. Börsengurus liegen ohnehin meist falsch. Die Mitglieder in den Anlagegremien werden nervös, gerade wenn sie nicht vom Kapitalmarktfach sind. Alle anderen aber auch. Man muss sich Fragen gefallen lassen: Stimmt die Strategie noch? Statt jetzt in hektischen Aktionismus zu verfallen, täte uns allen ein Nachrichten-Detox gut.

 

Oliver Böttger, Partner, Senior Relationship Manager und Leiter Vertrieb Wholesale bei Lupus alpha

Die Verunsicherung unter Investoren ist groß. Und sie ist auch deshalb derart ausgeprägt, weil so unglaublich viele Nachrichten aus den unterschiedlichsten Richtungen sowie Konjunktur- und Markteinschätzungen widersprüchlichster Art auf uns einprasseln – nicht mehr täglich, sondern inzwischen stündlich bis minütlich – man denke nur an die unvermeidliche Spätabendtalkshow, an Twitter oder an die inflationär von Medien ventilierten „Breaking News“.

Welche Folgen hat der Ukraine-Krieg? Wann und wie stark kommt die nächste Corona-Welle? Was passiert in China und Taiwan? Kommen die Lieferketten wieder in Gang? Wird durch Nord Stream 1 verlässlich Gas fließen? Wie entwickelt sich die Inflation? Wie schnell steigen die Zinsen – und wie weit? Wer sind die Gewinner der Krise? Wie lange dauert der Bärenmarkt? Und warum ist’s am Rhein so schön?

Nein, die letzte Frage ziehe ich zurück, denn alle anderen Themen sind ernst bis schwerwiegend. Meine Beobachtung aber ist: Irgendwann ist auch der letzte Investor von der Kakophonie an Nachrichten und Einschätzungen weichgekocht. Betrifft das nur Privatanleger? Keineswegs. Wir erleben auch unter unseren institutionellen Kunden ganz unterschiedliche Reaktionen – vom Neuinvestment über die ruhige Hand bis hin zum hektischen, von außen nicht immer nachvollziehbaren Agieren.

Dass gerade Stakeholder institutioneller Vermögen getrieben sind von sich häufenden schlechten Nachrichten, ist psychologisch verständlich: Sie tragen eine (Mit-) Verantwortung für Entscheidungen, die größtenteils außerhalb ihrer persönlichen Handlungsmacht stehen. CIOs, ihre Teams und andere für die Kapitalanlage eines institutionellen Vermögens Verantwortliche stehen in diesem Umfeld vor zwei großen Herausforderungen: Erstens, sich selbst nicht anstecken zu lassen von der Verunsicherung.

Und zweitens, eine angemessene Kommunikation. Wenn das Depot A einer Sparkasse vor den Augen von Bürgermeister und Stadtparlament vermeintlich wegzuschmelzen scheint, ist proaktive, transparente und selbstbewusste Kommunikation gefordert. Oder, wenn der Studienrat im Stiftungsbeirat einen sofortigen Verkauf aller Aktien fordert. Oder, wenn der Vorstand einer Versicherung die Anlagestrategie grundlegend hinterfragt. Sicherlich aber auch, wenn Privatkunden über die Empfehlungen ihrer Bank höchst unglücklich sind und ihre Fonds verkaufen wollen.

 

Mir fallen drei Dinge dazu ein …

1. Medienkompetenz: Nicht über das Stöckchen jeder Nachricht springen. Ein Beispiel aus den vergangenen Tagen: Dienstag vor einer Woche meldeten zwei Nachrichtenagenturen „aus informierten Kreisen“, nach Ende der Wartungsarbeiten würde wieder Gas durch Nord Stream 1 fließen. Der dümpelnde Dax schoss binnen Minuten steil in die Höhe und ging mit satten 2,69 Prozent Tagesplus aus dem Handel. Am Mittwoch hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „einen Gas-Lieferstopp für wahrscheinlich“. Und ab Donnerstag floss das Gas wieder, allerdings nur mit einem Drittel Kapazität. Drei Tage, drei unterschiedliche Szenarien. Geändert hat sich unterm Strich aber nichts. Derweil bröckelte der Dax wieder ab. Ein Beispiel, das uns lehrt, stets die Ruhe und eine gesunde Skepsis zu bewahren. Wir können nicht jede Nachricht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Wir sollten aber immer in Betracht ziehen, dass morgen schon das Gegenteil gemeldet werden könnte.

2. Einordnung: Wir wissen alle nicht, was morgen passiert, nicht Volkswirte, nicht Marktbeobachter, und auch nicht politische Experten. Was morgen passiert, hängt davon ab, was morgen in den Köpfen von Menschen vorgeht, wie sie morgen agieren, welche Ziele sie sich morgen setzen, welche Lösungen sie morgen finden. All das ist heute nicht bekannt. Von heutigen Ereignissen sicher auf morgen zu schließen, ist deshalb gewagt. Natürlich ist es wichtig, Ereignisse in einen großen Zusammenhang einzuordnen. Aber je größer dieser Zusammenhang ist, desto komplexer ist er – und desto weniger prognostizierbar. Es grenzt deshalb an Hybris, sich daran zu versuchen – die „Bald-bricht-der-Euro-zusammen“-Auguren lassen grüßen. Die „Es-gibt-nie-wieder-Zinsen“-Experten übrigens auch.

3. Strategie: Jetzt nicht hektisch die Anlagestrategie ändern. Eine strategische Allokation sollte in der Lage sein, über mehrere Zyklen zu funktionieren. In guten Zeiten kann man sich überlegen, ob und wie man seine strategische Allokation ändern sollte, aber nie getrieben von schlechten Nachrichten und fallenden Kursen. Nicht eine neue Strategie ist die Antwort auf eine Krise, sondern kontinuierliches Rebalancing: Was überproportional gefallen ist, wird nachgekauft. Und in guten Zeiten wird verkauft, was überproportional gestiegen ist. Wer dieser Strategie gefolgt ist, hatte nicht einmal nach dem Platzen der Dotcom-Blase ein größeres Problem, weil Dotcom-Aktien im Rahmen eines Rebalancing immer wieder verkauft wurden und deshalb innerhalb der Aktienallokation nie ein übermäßiges Gewicht bekommen konnten.

 

Den klassischen Doppelfehler vermeiden

Dagegen sieht das Ergebnis einer überhasteten Strategie-Revision so aus: Erst zu spät ausgestiegen, dann zu spät wieder eingestiegen. Ein klassischer Doppelfehler, der im Tennis einen Punkt kostet, im Asset Management im Zweifel aber viel Rendite. Deshalb: Nicht beirren lassen. Strategisch agieren. Taktisch handeln im Rahmen der Strategie – aber nicht impulsiv aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage oder der neuesten Expertenmeinung. Noch besser: Nicht nur auf die Großwetterlage schauen, sondern vor allem auf die einzelnen Unternehmen. Wenn die gut sind, wird alles gut. Auch im Portfolio.

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