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30.09.2025

Das Zeitalter der Anleihen ist vorbei

Die neue Ausgabe der Lupus alpha Kolumne leitwolfs view

Die staatlichen Schuldenexzesse, teilweise als Sondervermögen getarnt, nehmen immer bedenklichere Dimensionen an. Dennoch gehören Anleihen nach wie vor zu den beliebtesten Anlageklassen. Da Staaten eine gewisse Inflation "brauchen", um über die Geldentwertung ihre Schuldenlast zu reduzieren, und Notenbanken politisch unter Druck gesetzt werden, die Zinsen künstlich niedrig zu halten, sind negative Realzinsen unausweichlich – und Anleihen damit nicht mehr investierbar. Stattdessen sind Aktien das Mittel der Wahl. Aber auch hier gibt es Fallstricke.


von Alexander Raviol, Partner und CIO Derivative Solutions bei Lupus alpha 

Anleihen haben Anlegern über viele Jahrzehnte gute Dienste geleistet – wir alle sind quasi damit aufgewachsen. Schließlich versprachen Anleihen zusätzlich zu den laufenden Renditen überproportionale Kursgewinne – auch nach Inflation, also im Sinne von Realverzinsung. Diese Zeiten sind ganz klar vorbei. Dennoch sind Anleihen in den Köpfen vieler Allokatoren und damit in den Portfolios noch fester Bestandteil.

Wie wenig Anleihen heute in der Asset Allokation zu suchen haben, zeigt ein Blick auf ihre langfristige Entwicklung. In den vergangenen 150 Jahren haben beispielsweise 10-jährige US-Staatsanleihen1 jedes Jahr eine reale Performance von +2,4 % erzielt. Bis 2020 haben sie die Kaufkraft auch erhalten können, mit besonders attraktiven realen Wertzuwächsen in der 40-jährigen Phase fallender Zinsen (+5,5 % p.a. von Dezember 1981 bis April 2020). Das hat sich grundlegend geändert. In den letzten fünf Jahren haben sie mit real minus 7,7 % p.a. dagegen nur noch Kapital vernichtet.

Staatliche Schuldenexzesse sind zur Gewohnheit geworden

Große Änderungen im Anlegerverhalten sind bisher allerdings nicht zu beobachten. Ich wundere mich schon länger, dass man die dramatische Entwicklung bei der Staatsverschuldung an den Anleihemärkten so lange teilnahmslos hingenommen hat. Dabei haben Schuldenquoten und Zinslasten weltweit Niveaus erreicht, die man früher als "Fiskalkrise" bezeichnet hätte. Erst vor kurzem scheinen die Marktteilnehmer realisiert zu haben, wie sehr die staatliche Schuldenpolitik außer Kontrolle geraten ist, und haben mit Abverkäufen begonnen.

Um die Dramatik besser zu verstehen, lohnt auch hier ein Blick auf die langfristigen Schuldenzyklen: Nachdem die Staatsverschuldung in den USA2 in den Jahrhunderten ab 1790 eher gering war, nimmt diese ab den 1970er Jahren deutlich zu, seit Beginn des neuen Jahrtausends steigt sie ungebremst exponentiell. Die Staatsschulden in den USA belaufen sich inzwischen auf über 37 Billionen US-Dollar! Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt die Staatsverschuldung bei 120 % und damit auf dem Ausnahmeniveau des Zweiten Weltkriegs. Nun leben wir aber (Gott sei Dank!) nicht in Kriegszeiten. Dennoch steigt die Staatsquote in den USA wie auch in Deutschland kontinuierlich weiter an, denn nach temporären Ausnahmezuständen, wie zuletzt während der Corona-Pandemie, werden die hohen, schuldenfinanzierten Staatsausgaben einfach nicht wieder zurückgeführt.

Sparen? Nein Danke

Diese Unfähigkeit vieler Regierungen, eine Haushaltskonsolidierung durchzuführen, ist inzwischen zum zentralen Problem geworden. In Deutschland ist die letzte Regierung am Streit um die Schuldenbremse zerbrochen. Oder nehmen wir Frankreich. Paris steckt in einer tiefen Regierungskrise. Selbst kleinste Budgetkürzungen werden im Parlament blockiert oder auf der Straße einfach wegdemonstriert. Die Bürger wollen nicht verzichten und flüchten sich stattdessen in die Wahl populistischer Parteien.

Und in den USA? US-Präsident Donald Trump schert sich nicht um den wachsenden Schuldenberg. Neue Steuergesetze reißen riesige Löcher in den Haushalt, die auch mit steigenden Zöllen nicht zu stopfen sind. Zudem attackiert er die Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed und drängt auf niedrigere Zinsen, die er dringend braucht, um die Zinskosten für die öffentlichen Haushalte zu verringern. Letztere sind jetzt schon höher als die Ausgaben für den Verteidigungshaushalt.

"Whatever it takes" next level

Eines ist klar, dieser ungesunde Prozess der steigenden Schulden wird weitergehen. Denn die Möglichkeiten für Staaten, ihre Schulden durch realwirtschaftliche Maßnahmen wie Wachstum und Steuern zu reduzieren, sind limitiert und die Alternativen dazu, harte rechtliche Schritte wie Restrukturierungen oder gar eine Währungsreform durchzuführen, nicht akzeptabel. Was bleibt, um Schulden zu reduzieren, ist Inflation – und finanzielle Repression, um durch Geldentwertung die wachsenden Schulden finanzierbar zu halten. So schon einmal geschehen nach dem Zweiten Weltkrieg zur Sanierung der Staatshaushalte.

Und es geschieht längst wieder. In den USA sind die Eingriffe in die Zinspolitik der Fed offensichtlich. Die Zinssenkung Mitte September war lange von Trump gefordert. Ähnliche fiskalisch motivierte Eingriffe haben wir auch schon in der Türkei und in Japan gesehen. In Europa erfolgt das eher implizit: Frankreich oder Italien etwa lassen es schlicht darauf ankommen, dass die EZB es schon richtet und nicht zu einer neuen Eurokrise kommen lassen wird. Die Maßnahmen, die Zinsen niedrig zu halten, werden dabei allerdings immer extremer. Zentralbanken können, wenn nötig, unbegrenzt Staatsanleihen kaufen. Mit dem 2022 geschaffenen Transmissionsschutzinstruments (TPI) kann die EZB zum Beispiel gezielt Staatsanleihen einzelner Eurostaaten kaufen, wenn deren Finanzierungskosten "unangemessen" steigen.

Aktien statt Anleihen, aber mit Airbag

Wenn Inflation billigend in Kauf genommen wird und steigende Zinsen unerwünscht sind, kommt es unweigerlich zu negativen Realzinsen an den Anleihemärkten, die wir ja bereits sehen. Stellt sich die Frage: in welche Anlageklassen investiere ich stattdessen?

Cash fällt wegen der Inflationsthematik raus, also muss ich in reale Dinge gehen. Im liquiden Bereich ist hier die Aktie ganz klar das Mittel der Wahl. Aktien haben traditionell einen wichtigen Beitrag zum realen Vermögensaufbau geleistet, und sie werden es auch nach vorne gerichtet tun. In den letzten 150 Jahren haben US-Aktien zum Beispiel eine reale Performance von 7,0 % p.a. erzielt, von 2020 bis 2025 sogar 12,7 % jährlich.1

Dennoch sollte man nicht der Illusion verfallen, den Aktienmarkt als Einbahnstraße zu betrachten – das war er noch nie. Die Risikoseite ist immer zu beachten. Und die Unsicherheit an den Märkten bleibt aufgrund der geopolitischen Risiken unverändert hoch.

Wer die unvermeidlichen Phasen höherer Volatilität und temporärer Kursrückgänge nicht aushalten kann, darf oder will, ist mit einem geeigneten Absicherungskonzept gut beraten, zum Beispiel in Form einer kosteneffizienten Wertsicherungsstrategie. Der Anleger profitiert damit gleichzeitig von den Renditemöglichkeiten der Aktienseite und dem Verlustschutz nach unten. Im aktuellen Umfeld halte ich eine solche Strategie für das perfekte Investment.

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1 Betrachtungszeitraum 01/1871 - 06/2025, Robert J. Shiller (Shillerdata.com) und Blomberg
2 Betrachtungszeitraum 01/1790 - 12/2024, fiscaldata.treasury.gov

 

Wie ist Ihre Meinung zu Anleihen in der Asset Allokation?

Ich freue mich über Ihre Kommentare unter leitwolfsview@lupusalpha.de

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