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26.03.2024

Die 10 Stolperfallen für Investmentprofis

Finde den Fehler: Als professionelle Investoren sind wir allein geleitet von umfangreichen Analysen, auf deren Basis wir fundierte rationale Entscheidungen treffen. Die Fallen der Verhaltensökonomik umgehen wir geschmeidig. Womit Privatanleger zu kämpfen haben - Angst, Gier, Herdentrieb usw. - das legen wir ab, sobald sich die Tür zum (Home-) Office öffnet. Wir arbeiten im keimfreien Reinraum der Kapitalanlage. Denn wir haben Strategien, IT-Systeme und Richtlinien für überlegene Entscheidungen. Doch ist das wirklich so?

Kürzlich bin ich auf einem Finanzportal auf folgendes gestoßen: „Viele Anleger handeln irrational und nach Bauchgefühl, statt sich an harten Fakten und Kennzahlen zu orientieren. Was Sie daraus lernen können: Machen Sie es wie die Profis und analysieren Sie systematisch die Lage!“ 

Ich kam ins Nachdenken, denn mir begegnen immer wieder Muster, die zeigen, dass auch der Profi nur ein Mensch ist. Tückisch ist die Selbstüberschätzung, wie etwa: „Ich bin professionell genug, um nicht in solche Fallen zu tappen.“ Nachfolgend daher zehn Beobachtungen, die ich bei Investoren, mich eingeschlossen, immer wieder mache.

1. Nicht handeln. Kommt im professionellen Umfeld nicht vor? Doch. Häufig führen „Nur-keinen-Fehler-machen-Mentaliät“ und „Drei-Prozent-sind-genug“-Haltung zu einem dogmatischen Kleben an Marktindizes. Jeder Mut, ins Risiko zu gehen, liegt begraben unter einem Berg von Bedenken und Bloß-nicht-angreifbar-machen. Analyse führt zu Paralyse. Das gibt persönliche Sicherheit. Dem Kunden nutzt es aber nicht. Fazit: Um seinen Job gut zu machen, muss auch der professionelle Investor Chancen aktiv nutzen.

2. Zu spät investieren. Es wird oft erst investiert, wenn der Markt unübersehbar einen Trend bestätigt hat. Das Problem dabei: Dann ist die größte Aufwärtsbewegung meist schon erfolgt und man investiert nicht mehr vor der Herde. Ein langfristig gutes Investment ist immer mit einer Portion Unsicherheit verbunden, solange die Risikoprämien noch hoch sind.

3. Glaube ans Momentum. Ist es vorstellbar, dass die Magnificent Seven jemals ihre dominante Rolle an den Aktienmärkten verlieren werden? Sie steigen, steigen und müssen wohl weiter steigen. Doch Euphorie ist kein guter Berater, extremes Beispiel: der Neue Markt. Vorher rationalisiert man sich das Geschehen schön. Und hinterher sind sich alle einig: Alles war ja auch völlig überbewertet.

4. Missachten des Momentums. Umgekehrt kann es aber auch unklug sein, das Momentum zu ignorieren und an einer Überzeugung festzuhalten, obwohl der Markt gerade eine andere Story spielt. Solaraktien zum Beispiel hatten eine Zeit lang ein richtig starkes Momentum. Wer sich von ihnen verabschiedete, mit der Begründung „völlig überbewertet“, verschenkte damals viel Rendite. Die Krux bei der Sache: Man weiß leider nicht, wann ein Momentum dreht. Aber es gibt Wege aus diesem Dilemma (siehe 6. Rebalancing).

5. Aus Taktik wird Strategie. Aus Strategie wird Taktik. Ein taktischer Trade geht nicht auf und wird kurzerhand in ein "strategisches Investment" umdefiniert. Man will sich nicht eingestehen, dass man falsch liegt. Das kostet oft Rendite. Oder umgekehrt: Eine strategische Anlageklasse läuft schlecht und wird daher kurzfristig verkauft, „bis es wieder besser läuft“. Grundsätzliche Überzeugungen werden dann allzu oft von kurzfristigen Entwicklungen überlagert. Besser wäre es, an der Strategie festzuhalten.

6. Kein Rebalancing. Alle sprechen darüber, kaum jemand tut es: Obwohl antizyklisches Investieren mit Rebalancing klaren Regeln folgt und die beste Grundlage für langfristig erfolgreiches Investieren ist, wird es kaum angewandt. Warum? Antizyklisch zu investieren, fühlt sich nie gut an. Also vermeidet man die Diskussion mit den Gremien. Auf diese Weise weicht man letztlich von der Strategie ab.

7. Zu viel Vertrauen in Backtests. Obwohl Backtests so lange optimiert werden können, bis sie gut aussehen: Wenn sich eine Geschichte richtig gut anhört, glauben wir sie gerne. Auf welchen Annahmen beruht die Berechnung? Wie sensibel reagiert sie auf Änderungen der wesentlichen Parameter? Wie nah liegt der Test an der Realität? Solche Fragen sollten gestellt werden. Besser als der Backtest ist ohnehin der Track Record einer bestehenden Strategie. Der Portfolio Manager muss sein Können immer wieder unter realen Bedingungen mit realer Rendite unter Beweis stellen. 

8. Überschätzung von Prognosen. Über Jahre hieß es „Der Zins kommt nie(!) wieder“. TINA (There is no Alternative) war Investors beste Freundin. Wer wusste im Januar 2022, dass ab Juli die Zinsen steigen, und zwar rasant? Wer weiß sicher, wann die Zinsen wieder sinken und wie stark? Hinter vielen Prognosen steht am Ende nichts anderes als der nicht aus der Welt zu schaffende Glaube, den Markt korrekt timen zu können. Dabei kennen wir doch alle die alte und bewährte Börsenweisheit: "Time in the Market ist besser als Timing the Market". 

9. Überzeichnung politischer Ereignisse. Kriege erschüttern die Welt, China bedroht Taiwan, die Nato ist in der Krise, neue Handelskonflikte zeichnen sich ab … und die Börsen laufen von einem Allzeithoch zum nächsten. Wer sich von politischen Drohkulissen beeindrucken lässt, schränkt seine Optionen am Kapitalmarkt ein und verschenkt Rendite. 

10. Mangel an Diversifikation. Die Zinswende und der parallele Einbruch von Aktien und Staatsanleihen haben deutlich gemacht, dass Diversifikation aus Renten und Aktien allein zu wenig ist. Aber auch nicht jedes neue Produkt, nehmen wir die SPACs oder manchen Themenfonds, ist ein Investment wert. Was es braucht, ist eine breite Länder- und Stildiversifikation über verschiedene Risikoprämien hinweg, um sein Portfolio wetterfest zu machen. Das ist und bleibt die Herausforderung für jeden Investor - egal ob Profi oder Privatanleger.

Was nehmen wir daraus mit? Vertrauen wir unserer eigenen Strategie. Und lassen wir uns nicht von kurzfristigen Ereignissen, Prognosen und dem ewigen Rauschen der Meinungen ins Bockshorn jagen. 

So weit meine Top Ten der Fallstricke, über die auch professionelle Investoren bei der Kapitalanlage stolpern. Fallen Ihnen weitere ein? Ich freue mich über Ihren Kommentar an leitwolfsview@lupusalpha.de.

 

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