top
leitwolfs view - Kolumne von Lupus alpha

Lupus alpha

27.02.2023

Ein Jahr Ukraine-Krieg: Fünf Lehren aus der Krise

Oliver Böttger, Partner, Senior Relationship Manager und Leiter Vertrieb Wholesale 

Der zermürbende Krieg zwischen Russland und der Ukraine mit täglich Hunderten von Toten auf beiden Seiten hat nicht nur unsere bisherigen Gewissheiten bezüglich Frieden und Sicherheit in Europa in Frage gestellt, sondern mit einer Rekordinflation durch die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise auch tiefgreifende Folgen für unsere Wirtschaft gehabt. Auch an den Kapitalmärkten wurden unsere Nerven in den letzten 12 Monaten kräftig durchgeschüttelt. Schaut man in diesen Tagen auf die Aktienmärkte, so scheint es zwar, als wäre nichts gewesen. Aber der Schein trügt. Wir können aus dieser Krise einiges lernen.

 

1. Es war nicht der Schwarze Schwan...
..., sondern das "Graue Nashorn". Denn anders als zum Beispiel die Terroranschläge am 11. September 2001 oder die Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 - die nach der "Black Swan"-Definition von Nassim Nicholas Taleb nicht vorhersehbar waren - hätte man den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine früher erkennen können (was übrigens auch für den Ausbruch der Corona-Pandemie gilt, die ebenfalls ein Graues Nashorn war). Bereits 2007 in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatte der russische Präsident die Osterweiterung der NATO einen "provozierenden Faktor" genannt. Seit der Eroberung der Krim 2014 hätte dann jedem klar sein können, was Putin vorhat, nämlich einen Teil oder die ganze Ukraine zu annektieren. Vermutlich wollten wir das in Deutschland nicht sehen - oder angesichts der zunehmenden Gaslieferungen aus Russland nicht wahrhaben. Dass man sich nicht mehr in solche einseitigen Abhängigkeiten begibt, hat Deutschland inzwischen verstanden. Und was können wir Anleger daraus lernen? Auch wenn unsere Zeit und Aufnahmefähigkeit begrenzt sind: Das Monitoring politischer Krisen gehört zum Tagesgeschäft am Kapitalmarkt dazu.

 

2. Der Krieg hat unseren Blickwinkel verändert.
Durch den Ukraine-Krieg haben sich auch eine Reihe unserer Konventionen verändert. Beispiel Rüstungsindustrie: "Die Verantwortung für die Sicherheit können wir nicht länger an die USA outsourcen", sagte der Botschafter a.D. Wolfgang Ischinger auf unserer Investment Konferenz im vergangenen November und meinte damit, dass Deutschland zukünftig in der Lage sein muss, sich selbst zu verteidigen. Tatsächlich sind Rüstungsunternehmen hierzulande plötzlich wieder salonfähig und investierbar, da sie unsere Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit gewährleisten. Wie schnell sich Rahmenbedingungen ändern können, haben wir auch schon während der Corona-Krise gesehen, in der Lieferketten plötzlich unterbrochen waren und (Vor-)Produkte einfach nicht mehr zur Verfügung standen. Auf einmal hat "just in time" ausgedient und die Lagerhaltung ist wieder en vogue bis hin zu der Erkenntnis, dass Kernindustrien nicht mehr nach Asien ausgelagert, sondern besser in den EU-Staaten belassen werden sollten. Was lernen wir daraus? Krisen können zu einer vollständigen Neubewertung von Prozessen, Unternehmen und ganzen Branchen führen, auf die sich Investoren einstellen müssen.

 

3. Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet.
Im vergangenen Jahr waren die Ängste vor den wirtschaftlichen Folgen des Krieges noch groß. Steigende Inflation, tiefe Rezession, hohe Arbeitslosenzahlen - kaum ein Horrorszenario, das nicht entworfen wurde, selbst auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wurde noch von "Poly-Krisen" mit gravierenden Folgen für die Menschheit gesprochen. Zwar stecken wir nun tatsächlich in einer (technischen) Rezession, sofern unsere Wirtschaft im laufenden Quartal erneut leicht schrumpft. Es handelt sich aber eher um ein "Rezessiönchen" als um den befürchteten starken Abschwung. Auch die Inflation hat in der Eurozone Auftrieb verloren. Im Januar erhöhten sich die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,7 Prozent und damit leicht schwächer als im November 2022. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich möchte die in der Tat ernsten wirtschaftlichen Probleme nicht klein reden. Die jüngste Entwicklung zeigt aber, dass wir (mal wieder) zu Schwarz gemalt haben. Learning für Investoren? Unsere Volkswirtschaften sind am Ende doch widerstandsfähiger und die Unternehmen anpassungsfähiger, als wir ihnen zutrauen, gerade in Krisen.

 

4. Der Krieg hat die Klimatransformation beschleunigt.
Stichwort "Anpassungsfähigkeit". Sind Sie auch (positiv) überrascht, wie schnell viele Unternehmen ihre Lieferketten diversifiziert, ihren Energiemix umgestellt und sich neue Beschaffungs- und Absatzmärkte erschlossen haben? Treiber waren verständlicherweise die stark gestiegenen Energiepreise, die Unternehmen wie auch die Privathaushalte zum Handeln gezwungen hatten. Energiesparprogramme wurden aufgesetzt und alternative Energiequellen erschlossen. Der Krieg hat insofern wie ein Katalysator für den Green Deal gewirkt. Denn so wichtig und richtig es von der Europäischen Kommission auch ist, ambitionierte Ziele für den Klimaschutz zu formulieren und den EU-Staaten damit die Richtung zu weisen, so schleppend ist oft die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedsländern. Geht es aber um den eigenen Geldbeutel, ist also der nötige Druck vorhanden, dann geht die erwünschte Transformation auf einmal ganz schnell. Was lehrt uns das? Verhaltensänderungen von Wirtschaftssubjekten lassen sich dann (schnell) herbeiführen, wenn Knappheiten im Spiel sind und der Preismechanismus funktioniert.

 

5. "Stick to the plan" oder Raus aus Aktien war voreilig.
2022 dürfte Anlegern als besonders herausfordernd in Erinnerung bleiben. Am deutschen Aktienmarkt gab es zum Beispiel gleich drei scharfe Korrekturen, jeweils gefolgt von kräftigen Aufwärtsbewegungen. Zudem fielen die Rentenmärkte als Korrektiv diesmal vollständig aus. Eine solche Achterbahnfahrt hält nicht jedes Risikobudget und auch nicht jede Gemütslage aus. Dennoch: Die Aktienindizes stehen nach nur einem Jahr höher als vor dem Kriegsausbruch. Wer seinen Aktienanteil zwischenzeitlich verkauft oder reduziert hat, dürfte sich heute ärgern. Deshalb hat die alte und bewährte Börsenweisheit "Time in the Market ist besser als Timing the Market" auch in Krisenzeiten Bestand. Kurzfristige Strategieänderungen aufgrund von Schocks und Emotionen sind langfristig häufig Fehler. Besser ist es, so zu investieren wie zum Beispiel Robert Wallace, der die Anlage des Stiftungsvermögens der Stanford University verantwortet und hervorragende Renditen vorweisen kann. Sein Rat: Eine langfristige strategische Vermögensverteilung festlegen und dann die einmal definierten Anteile regelmäßig wiederherstellen. Rebalancing heißt das Zauberwort!

Wie bereitet man sich als Anleger nun am besten auf das nächste Ungemach, ob schwarz oder grau, vor? Die beste Grundlage, um auch in Krisenzeiten ruhig schlafen zu können, ist und bleibt eine langfristige Anlagestrategie und die breite Streuung des Vermögens. Wichtig ist außerdem, dass Sie bei der Titelauswahl auf Qualitätsunternehmen setzen. Wer sich nicht selbst auf die Suche nach geeigneten Unternehmen machen möchte, überlässt dies am besten einem Profi und investiert in einen aktiv gemanagten Fonds. Wer nur ein begrenztes Risikobudget besitzt, sollte darüber nachdenken, Wertsicherungskonzepte oder Risiko Overlays in die Anlagestrategie zu integrieren. Dem Aktienmarkt fernzubleiben ist bei negativem Realzins und hoher Inflation in jedem Fall keine Alternative.

 

Fünf Lehren aus der Ukraine-Krise haben wir hier besprochen. Fallen Ihnen weitere ein? Dann schreiben Sie uns an leitwolfsview@lupusalpha.de - wir sind gespannt!

 

Stand: 27.02.2023

Weitere Informationen
Allgemeine Fragen oder Anregungen:
Annett Haubold
PR-Managerin, Communications
+49 69 / 36 50 58 - 7403
PRESSE
Pia Kater
Pressesprecherin, Communications
+49 69 / 36 50 58 - 7401
ZUM PRESSEBEREICH