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Lupus alpha

29.04.2024

Morgen tagt die Fed. Der weitere Kurs ist absehbar.

Marktteilnehmer diesseits und jenseits des Atlantiks starren seit Monaten auf die Notenbanken wie das Kaninchen auf die Schlange. Die Deutung von Inflationsdaten, EZB-Äußerungen und Fed-Protokollen überlagert alles. Und die Terminierung der ersten Zinssenkung in Europa und den USA ist längst zum Volkssport geworden. Dass die Zinswende auch in den USA ansteht, bleibt trotz aktuell hartnäckiger Inflation ausgemacht. Der Verdacht drängt sich auf, dass die Notenbanken Getriebene der Markterwartungen sind. Das hat strukturelle Gründe … und ist gut für Aktien.

 

Für die Märkte ist der Zins zum alles dominierenden Kriterium geworden – und sie wollen ihn sinken sehen. Doch die US-Wirtschaft strotzt vor Kraft. Und so kamen nach starken Daten vom Arbeitsmarkt Mitte April erste Zweifel an einem baldigen Lockerungskurs der Fed auf. Als zudem wenige Tage später die US-Inflation nicht das tat, was sie sollte (sich im Zaum halten), nahm der Volkssport „Fed-Deutung“ wieder an Fahrt auf. 

Die Märkte zeigten sich jedoch überraschenderweise nur kurz irritiert, wenn aktuelle Inflationsdaten den Einstieg in die Zinswende zu hintertreiben schienen. Unverdrossen antizipieren sie sinkende Zinsen: Die Aktienmärkte steigen weiter, Edelmetall-, Energie- und Rohstoffpreise steigen auch. Und die Spreads von Unternehmensanleihen haben sich eingeengt.

Inflation wird billigend in Kauf genommen

Erinnern Sie sich an Arthur Burns? Er war in den 1970er Jahren Fed Präsident unter Richard Nixon. Nach verbreiteter Auffassung agierte er insgesamt eher unglücklich. Sein wohl originellster Ansatz: Um den damaligen Inflationsschub zumindest zahlenmäßig zu bremsen, ließ er sämtliche Artikel aus dem Konsumentenpreisindex entfernen, deren Preise stark anzogen. In seiner Amtszeit wurde das Konzept der Kerninflationsrate (ohne Energie- und Lebensmittel) auch erstmals in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung behandelt. Der aktuelle Amtsinhaber Jerome Powell signalisiert den Märkten immer wieder, dass er das Thema Inflation ernst nimmt. Er will vermutlich nicht als ein weiterer Arthur Burns in Erinnerung bleiben.

Aktuell scheint es, dass die Fed etwas Tempo herausnimmt, der Juni-Termin für den ersten Schritt steht auf der Kippe. Doch wird Jerome Powell die Inflation mit letzter Konsequenz eindämmen? Ich erwarte das nicht.

  1. Trotz der negativen Überraschung bei der US-Inflation werden die vielen Gründe ausgeblendet, die für einen langfristig höheren Inflationsdruck sprechen. Den offensichtlichsten habe ich schon erwähnt: Die US-Konjunktur hellt sich immer weiter auf – nach klassischer Lesart kein Anlass für Zinssenkungen. Hinzu kommen sich verfestigende strukturelle Trends: Lohndruck etwa aufgrund der Demographie. Die Tendenz zum Reshoring. Das schleichende Decoupling zwischen den USA und China. Die immensen Kosten der Dekarbonisierung. Die überfällige Modernisierung der Infrastruktur. Steigende Verteidigungsbudgets. Enorme Staatsdefizite. 

    Selbstredend gibt es auch gegenläufige Entwicklungen. Zuwanderung könnte deflationär wirken. Der vermehrte Einsatz von KI ebenso. Oder der Aufstieg neuer Handelspartner wie Indien. Ob sich diese Hoffnungen erfüllen, wird sich zeigen, aus meiner Sicht dominieren langfristig klar die inflationären Faktoren. Kurzfristig könnten vor dem Hintergrund der jüngsten Nahost-Nachrichten Faktoren wie steigende Ölpreise hinzukommen.

  2. Hinzu kommt ein weiterer grundsätzlicher Gedanke: Die Welt braucht Zinsen, die möglichst unterhalb der Inflationsrate liegen (anders als aktuell), weil sie hochverschuldet ist, weit höher als noch in der Finanzkrise. Vor allem Staaten wollen nicht sparen, andernfalls drohen gesellschaftliche Konflikte. Bei niedrigen Zinsen können sie mehr Schulden aufnehmen, und bei höherer Inflation können sie sich unauffälliger entschulden – Inflationierung ist immer der Weg des geringeren Schmerzes. 

Vor diesem Hintergrund ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Jerome Powell doch ein zweiter Arthur Burns werden könnte.

Unser Kompass, was ein normaler Zins ist, hat sich verschoben

An die niedrigen Zinsen haben wir uns ohnehin schon gewöhnt. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit Marktteilnehmer inzwischen von einem niedrigen Zinsniveau ausgehen – und welche Zinsen als „hoch“ angesehen werden. Fragen Sie einmal Ihre Eltern oder Großeltern, zu welchem Zins sie seinerzeit ihr Haus finanziert haben… Unser Kompass, was ein normaler Zins ist, hat sich nach unten verschoben. Der Leitzins der Deutschen Bundesbank (der Diskontsatz) zum Beispiel lag zeitweise immer wieder (zuletzt Anfang der 1990er Jahre) bei 6% und darüber – weit mehr als das aktuelle EZB-Niveau.

Überhaupt, die EZB: Noch viel mehr als die Fed muss sie die Verschuldung der einzelnen Staaten in der Eurozone im Auge behalten, die von Frankreich beispielsweise. Die aktuelle Wachstumsschwäche in Europa und der überraschend stark nachlassende Preisdruck kommen ihr für kurzfristig raschere Zinssenkungen im Vergleich zur FED entgegen.

Die Notenbanken sind nicht gewillt, die letzte Meile zu gehen

Mein Fazit: Beide, EZB und Fed, sind nicht gewillt, die letzte Meile zum 2%-Ziel zu gehen. Auch auf den sogenannten „Fed-Put“ ist Verlass – im Zweifel stützt die US-Notenbank die Aktienmärkte. Deshalb höre ich schon lange nicht mehr so gespannt zu wie früher, wenn Notenbankpräsidenten ihre geldpolitischen Entscheidungen erläutern. Der weitere Lauf der Dinge ist hinsichtlich der grundsätzlichen Richtung absehbar.

Egal, wie man all dies volkswirtschaftlich oder ordnungspolitisch wertet: Die Zinsen werden tendenziell niedrig bleiben, jedenfalls im Vergleich zur Inflation. Die einzig vernünftige Antwort darauf sind reale Assets. Hierzu gehören vor allem Aktien, TINA (There is no Alternative) bleibt Investors beste Freundin. Denn niedrige Zinsen und Inflation sind Rückenwind für Aktien, weil sich deren Bewertungen am erwarteten Umsatz und Gewinn orientieren, und diese steigen nominal mit der Inflation. Wer bei Zinsen unterhalb der Inflationsrate am Erhalt seiner Kaufkraft interessiert ist, kommt um den Aktienmarkt nicht herum. Und wer Rendite darüber hinaus erwartet, braucht aktives Management.

Ich freue mich über Ihren Kommentar an leitwolfsview@lupusalpha.de. 

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