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25.07.2023

R.I.P. Markowitz – Es lebe Markowitz!

„Lege nie alle Eier in einen Korb.“ Dieses eherne Gesetz der Kapitalanlage stammt von Nobelpreisträger Harry Markowitz, der am 22. Juni dieses Jahres im Alter von 95 Jahren verstorben ist. Das Gesetz hat er 1952 erstmals wissenschaftlich unterfüttert und es gilt für Einzeltitel wie für Anlageklassen. In diesem Sinn machen Portfolios, die nur aus Large Caps und erstklassigen Anleihen bestehen, nicht unbedingt einen guten Job. Im Zuge der großen Reallokation nach der Zinswende bieten sich viele Opportunitäten, ein effizientes Portfolio mit optimiertem Rendite-Risiko-Profil aufzubauen. 

Oliver Böttger, Partner und Leiter Vertrieb Wholesale bei Lupus alpha 

 

Der Trend ist nicht zu übersehen: Investoren, private wie professionelle, schichten ihre Vermögen in festverzinsliche Wertpapiere um. Nach den herben Verlusten im vergangenen Jahr habe ich den Eindruck, es findet eine massive Neuallokation zugunsten von Investment-Grade-Papieren statt. Es mutet beinahe schon ironisch an: Der Auslöser der Verluste an den Bondmärkten, die von den Zentralbanken rigoros vollzogene Zinswende, treibt Anleger jetzt in die Bondmärkte. Aber wie sinnvoll ist das? Bundesanleihen bringen aktuell je nach Laufzeit um die 2,3 bis 2,7 Prozent. Sie holen ihre Verluste zwar auf, aber in Summe bringen sie am Ende vielleicht drei Prozent. Für Investment-Grade-Staatsanleihen anderer Länder sind für Laufzeiten von 10 bis 30 Jahren vielleicht 3,5 bis 4 Prozent drin. Investment-Grade-Corporates bringen ebenso wenig. 

Auf der Aktienseite findet parallel ein Ansturm auf Large Caps statt. Allerdings ist „Large“ hier nicht genug. Im Grunde fließt das Gros der Investorengelder derzeit in Tech-Mega-Caps wie Apple, Microsoft und die üblichen Verdächtigen. Zum Vergleich: Der S&P 500 legte hauptsächlich durch die Performance dieser Werte bis Mitte Juli um gut 19 Prozent zu. Im selben Zeitraum machte der auf zehn Tech-Mega-Caps fokussierte NYSE FANG+ Index über 80 Prozent.  

Allein die „Glorreichen 7“ (Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta, Nvidia und Tesla) nehmen im S&P 500 ein Gewicht von über einem Viertel ein. Sorry, wer diesen Index kauft, diversifiziert nicht, sondern legt sich einen "Quasi-Technologie & KI-Themenfonds" ins Portfolio. Selbst wenn das aktuelle Momentum bei diesen Werten liegt, ist es aus strategischer Sicht besser, sich breiter aufzustellen. Ein vergleichbares Bild zeigt sich übrigens in Europa: Nach einer Analyse von Morgan Stanley lag zuletzt nur die Gruppe der 30 größten unter den 610 führenden Werten seit Jahresbeginn im Plus. 

Drei – zugegeben ziemlich rhetorische – Fragen 

Fällt etwas auf? Alle machen das im Moment (ich erlaube mir diese Pauschalisierung). Darin drückt sich meines Erachtens auch viel Unsicherheit aus – man hat sich tief im Risk-off-Modus festgefahren. Das, was läuft, dem schaut man hinterher und staunt. Was aktuell hingegen nicht läuft, wird links liegengelassen und nicht beachtet.  

Noch eine zweite rhetorische Frage: Wie geht es aller Erfahrung nach aus, wenn an der Börse alle dasselbe tun? Meine These: Der aktuelle Trend, vor allem in sichere Anleihen und Large Caps umzuschichten, kann ein Irrweg sein. An dieser Stelle kommen wir nun endlich zu Harry Markowitz, dem Begründer der modernen Portfoliotheorie. Und damit zu meiner dritten rhetorischen Frage: Haben den alle vergessen? Ende Juni hat er sich, wenn auch aus dem traurigen Anlass seines Todes, wieder in Erinnerung gebracht. Dem Vernehmen nach hat der spätere Wirtschafts-Nobelpreis-Träger Paul Samuelson über Markowitz gesagt, die Wall Street stehe auf seinen Schultern. Sprich, moderne Geldanlage ist ohne ihn nicht denkbar. Das sollten wir auch weiterhin ernst nehmen. 

Nach Markowitz lässt sich ein Wertpapierportfolio so kalibrieren, dass es bei gegebenem Risiko die maximale Rendite ermöglicht. Dieser Punkt ist die Effizienzgrenze, definiert als der geometrische Ort aller Portfoliokombinationen, die bei gegebenem Risiko eine höhere Rendite erzielt als alle anderen Kombinationsmöglichkeiten. Heute würde man vielleicht vom „Sweet Spot“ sprechen, aber Markowitz war eben Mathematiker und (zum Glück) nicht Marketingtexter. Diesen Punkt kann man zwar auch für nur zwei Anlageklassen finden (wie etwa Large Caps und Staatsanleihen). Zu weit besseren Ergebnissen kommt man aber mit vielen verschiedenen Anlageklassen, die möglichst wenig miteinander korrelieren. 

Und dann auch das Rebalancing nicht vergessen, also regelmäßig, zum Beispiel halbjährlich, die Gewinne bei den Outperformern realisieren und mit dem freigewordenen Kapital die Nachzügler aufstocken, bis die ursprünglich festgelegte strategische Vermögensverteilung wiederhergestellt ist. So hält es auch Vorzeigeinvestor Robert Wallace, der CEO des Stiftungsvermögens der Stanford University, der langfristig Renditen von 14 Prozent p.a. erzielt. Auf dem Lupus alpha Investment Fokus vor zwei Jahren hat er konsequentes Rebalancing als einen seiner wesentlichen Erfolgsfaktoren benannt. 

Es gibt mehr als Large Caps und Investment Grade 

Was bedeutet das nun konkret? In die Zukunft kann man zwar nicht blicken, aber über gewisse strukturelle Zusammenhänge und Entwicklungen lassen sich durchaus begründete Annahmen machen. Ich halte es hier mit Martin Lück, dem Kapitalmarktstrategen von BlackRock in Deutschland. Der hat kürzlich in der FAZ gesagt, wir erleben strukturelle Veränderungen und werden mit einer höheren Volatilität leben. Daraus schlussfolgert er: „Die Fokussierung auf Aktien und Anleihen sollte es nicht mehr geben.“ Es brauche mehr Anlageklassen im Portfolio. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Mache ich jetzt aber trotzdem: 

Es geht nämlich nicht allein um Diversifizierung. Es geht, gerade jetzt, auch um günstige Bewertungen und attraktive Renditechancen. Wer jetzt nicht die Gelegenheit nutzt, aus Sorge vor etwaigen Krisenszenarien (eine Rezession, ein weiter eskalierender Ukraine-Krieg, eine Eskalation in Taiwan – was auch immer) ein über viele Anlageklassen breit diversifiziertes, effizientes Portfolio mit einem optimiertem Rendite-Risiko-Profil aufzustellen, der ignoriert nicht nur Markowitz, der ignoriert auch offensichtliche Opportunitäten. Und die sind aktuell nicht in den dominanten Anlageklassen, sondern vor allem in spezialisierten Strategien zu finden. Gehen wir einmal die Segmente durch, mit denen wir uns bei Lupus alpha am besten auskennen: 

Small & Mid Caps: Das Momentum liegt vielleicht bei den Large Caps. Aber die „Kleinen“ haben die „Großen“ in der Vergangenheit über den Zyklus betrachtet früher oder später immer überholt. Und die Bewertungen sind äußerst günstig. Sie wissen, wir sind nicht die großen Verfechter des Market Timings. Aber es ist wie es ist: Man steigt am besten dann in eine Anlageklasse ein, wenn sie keiner beachtet.  

Volatilität: Diese Strategien versichern andere Marktteilnehmer gegen zu hohe Volatilität an den Kapitalmärkten. Die dafür an den Optionsmärkten gezahlten Prämien werden eingesammelt. Daraus speist sich, zusammen mit dem endlich wieder verzinsten Basisportfolio, die Rendite. Die Märkte haben die in der Corona-Krise teils extrem hohe Volatilität nicht vergessen – und die seither zur Absicherung gezahlten Prämien sind weiterhin ungewöhnlich hoch. Auch deshalb, weil einige Anbieter aus dem Markt ausgeschieden sind. Gestiegene Nachfrage trifft auf gesunkenes Angebot – gut für Vola-Investoren. 

Wandelanleihen: Das sind Unternehmensanleihen mit integrierter Aktienoption, die häufig von aussichtsreichen Wachstumsunternehmen emittiert werden. Im Zuge des Zinsanstiegs haben Wandelanleihen kräftig korrigiert. Jetzt erscheinen sie wieder günstig bewertet und langfristig interessant. Die Anleihen bringen wieder Zinsen und die Credit Spreads sorgen für einen attraktiven Zinsaufschlag. Wer jetzt investiert, „gets paid to wait“, wie es unsere Portfolio-Manager gerne auf den Punkt bringen. Bedeutet: Man kassiert Zinsen, bis die Aktienerholung einsetzt. 

Verbriefte Unternehmenskredite: Nach dem Abverkauf 2022, in dessen Sog die kurz CLO genannte Anlageklasse einmal mehr fundamental höchst ungerechtfertigt geraten ist, besteht noch immer ein großes Aufholpotenzial. Erfahrungsgemäß schließt sich dieses „Pull-to-Par-Fenster“ nach Krisen allerdings relativ zügig. Außerdem werden für Unternehmenskredite wieder richtig attraktive Zinsen gezahlt. Wer Income sucht, wird hier fündig – und das ganz ohne Durationsrisiken. 

High Yield: Nicht in unserem Angebotsportfolio, will ich Ihnen aber auch nicht vorenthalten. Von Unternehmensanleihen unterhalb des Investment Grade sind derzeit sehr attraktive Renditen zu erwarten, zumal die Zinsanfälligkeit wegen der kurzen Laufzeit und Duration eher zu vernachlässigen ist. Auch der Spread zum Investment Grade kompensiert Zinsrisiken. Ausfallen darf hier allerdings nicht zu viel – aber man soll ja auch nicht alles auf eine Karte setzen. 

An sich ist es am Kapitalmarkt selten gut, „erst einmal“ abzuwarten. Nichts tun ist eine aktive Entscheidung. Wer nichts tut, braucht dafür eine klare Marktmeinung. Wer diese nicht hat und „nur“ aus Verunsicherung an der Seitenlinie stehen bleibt, tut besser daran, sein Gesamtportfolio im Sinne der Effizienzgrenze von Harry Markowitz diversifizierter aufzustellen. Und sich dabei gleichzeitig für die Opportunitäten in Stellung zu bringen, die spezialisierte Anlageklassen gerade bieten. Ein solches Portfolio ist dann auch in der Lage, Marktschwankungen bis zu einem gewissen Grad auszugleichen. 

„Bis zu einem gewissen Grad?“ Ja, auch da halten wir uns an Markowitz, denn auch das gehört zur Wahrheit: Am 16. Oktober 1990 verkündete die Royal Swedish Academy of Sciences per Pressemitteilung die Nobelpreisvergabe an den US-Amerikaner. Und darin heißt es auch: „Im Allgemeinen kann das Risiko nicht vollständig ausgeschaltet werden, unabhängig davon, wie viele Arten von Wertpapieren in einem Portfolio vertreten sind.“ So ist das eben am Kapitalmarkt: keine Rendite ohne Risiko. 

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