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Lupus alpha

30.07.2024

Unternehmen pflegen einen pragmatischen Umgang mit China – richtig so!

Die Bundesregierung reduziert systematisch ihre Unterstützung für Unternehmen bei Investitionen und Geschäften in China. Deutschlands wichtigster Handelspartner wird explizit als „systemischer Rivale“ definiert und zunehmend auch so behandelt. Die Unternehmen dagegen lassen sich nicht davon beirren. Sie beherrschen die Kunst, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Und gleichzeitig entwickeln sie Alternativen. Man sollte sie einfach machen lassen …

Von Björn Glück, Partner und Portfolio Manager Small & Mid Caps Europa

China scheint als Wirtschafts- und Handelspartner nicht mehr gut gelitten in Deutschland. Darüber täuscht auch nicht hinweg, dass die Bundesregierung Widerstand gegen die Zölle auf importierte E-Autos aus China leistet, die von der EU-Kommission vorläufig in Kraft gesetzt wurden. Hier einige Beispiele:

  • Investitionsgarantien: Mit ihnen sichert die Bundesregierung Auslandsinvestitionen gegen unkalkulierbare Risiken ab. Während 2021 noch 12 Projekte in einem Umfang von 1,95 Mrd. Euro in China gefördert wurden, waren es 2023 nur noch acht Projekt im Umfang von 71 Mio. Euro. Ein deutlicher Trend.
  • Exportgarantien: Diese sichern Exporteure gegen Forderungsausfälle ab. Lag China 2021 mit einem Volumen von 1,38 Mrd. Euro noch auf Rang 3, rutschte es 2023 mit 650 Mio. Euro auf Rang 8 ab.
  • Outbound Investment Screening: Investitionen deutscher Unternehmen in China sollen engmaschiger kontrolliert werden, um einen Technologietransfer zu verhindern.

Zudem geraten Unternehmen immer wieder in die Schlagzeilen, häufig unter dem Etikett „Ausverkauf der deutschen Wirtschaft“. Wir erinnern uns an den frühen Fall Kuka, Produzent für Industrieroboter. Dieser Verkauf wurde 2016 noch vollzogen. Höchst emotional diskutiert wurde die Minderheitsbeteiligung der chinesischen Cosco an einem Hamburger Containerterminal. Und erst Anfang Juli untersagte das Bundeswirtschaftsministerium den Verkauf der VW-Tochter MAN Energy Solutions an ein chinesisches Unternehmen. Doch auch umgekehrt stößt China-Engagement auf Missbilligung: Als BASF ankündigte, in China eine Fabrik für 10 Mrd. Euro zu bauen, hagelte es harsche Kritik in der deutschen Öffentlichkeit, auch vonseiten der Politik. 

"Systemischer Rivale" aus Sicht der Politik

Der Ursprung der aktuellen Entwicklung liegt in der Coronazeit, als Lieferengpässe die deutsche Wirtschaft ausbremsten und man sich seiner Abhängigkeit von China bewusst wurde, sowohl im Import von Rohstoffen und Vorprodukten wie auch im Export von Industriegütern. Zum Synonym für dieses Ausgeliefertsein wurden die „Seltenen Erden“. Im Juni 2023 veröffentlichte die Bundesregierung dann ihre „China-Strategie“ und definierte unseren mit Abstand größten Handelspartner (254 Mrd. Euro) explizit als „systemischen Rivalen“. Deutsche Unternehmen werden aufgefordert, ihre Risiken im China-Geschäft abzubauen. „Die Erfahrung der vergangenen Jahre ist, dass eine zu große Abhängigkeit von nur einem Land ein Problem werden kann“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf seiner jüngsten Chinareise.

Ohne Zweifel ist es Aufgabe der Politik, die strategischen Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft vorausschauend zu gestalten. Dazu gehört der gesamte Bereich der Rohstoffsicherheit. Hier verfolgt die Bundesregierung zahlreiche Initiativen, und das ist gut so. Auch ist es aus standortpolitischer Sicht richtig, bei Firmenübernahmen auf mögliche Folgen zu schauen. Oder gleichen Marktzugang für deutsche Unternehmen in China wie umgekehrt einzufordern. Die grundsätzliche Entscheidung aber, China „ja“ oder „nein“, sollte man den Unternehmen überlassen. Denn diese haben einen anderen Blick auf China als Handelspartner.

Guter Geschäftspartner aus Sicht der Unternehmen

  • Nach einer Umfrage des DIHK wollen nur 19 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen in China verringern, 59 Prozent wollen sie wie bisher beibehalten, 22 Prozent wollen sie sogar ausweiten.
  • Laut Verband der Automobilindustrie VDA exportierten Autozulieferer 2023 Waren im Wert von 11,2 Milliarden Euro nach China und importierten Teile im Wert von 2,8 Milliarden Euro aus China.
  • Dürr als Hersteller von Abfüllanlagen betont, man fühle sich in China sehr willkommen als Unternehmen.
  • Der Halbleiterhersteller Elmos Semiconductor beliefert Chinas größten E-Auto-Hersteller BYD.

Deutsche Unternehmen machen in China also gute Geschäfte und wollen sich diese nicht nehmen lassen – warum auch? Worin besteht die Ratio, aus der Sorge heraus, langfristig keine Umsätze mehr zu machen, seine Umsätze kurzfristig selbst zu beschneiden? Die deutsche und chinesische Wirtschaft sind auf engste verwoben, selbst dort, wo wir sie als Bedrohung wahrnehmen – siehe deutsche Halbleiter in chinesischen E-Autos. Und: Die Unternehmen sind durchaus willens, in der Lage und aktiv darin, sich nach alternativen Lieferanten und Absatzmärkten umzusehen.

Die Unternehmen brauchen dafür keine Ansagen seitens der Politik. Ihnen sind die mit China verbundenen Risiken innenpolitischer sowie außenpolitischer Art bewusst. Sie wissen, dass China erneut von einem Tag auf den anderen als Lieferant und Kunde wegfallen könnte. Und sie pflegen einen klaren, pragmatischen Umgang mit diesem wichtigen Handelspartner – ein Satz, den ich regelmäßig in meinen Gesprächen mit CEOs höre. 

Selbstredend arbeiten die Unternehmen an einem parallelen Aufbau von alternativen Lieferketten und Absatzmärkten. Das aber lässt sich nicht übers Knie brechen, ein solcher Prozess braucht Zeit. Es gibt eine Reihe von Ländern in Asien, die immer stärker in die Fußstapfen Chinas treten und langsam aber sicher in die Rolle als Absatzmärkte ebenso wie als Bezugsquellen für Vorprodukte wachsen: Vietnam, Bangladesch, Thailand, Indien und auch Indonesien. Diese Entwicklung ist beinahe zwangsläufig, auch deshalb, weil der Wohlstand in China mit dem Einkommen steigt und damit auch die Produktion in China teuer wird. Früher war China die Werkbank der Welt. Jetzt sucht sich die Industrie  neue Werkbänke in der Welt.

Produktion massiver Überkapazitäten in China 

Das bedeutet nicht, dass man die Augen vor Problemen oder Fehlentwicklungen verschließen darf. Die befürchtete Exportschwemme zum Beispiel. Ich glaube allerdings nicht an einen angeblichen „großen Masterplan“ Chinas, der darin besteht, die Welt mit Billigprodukten zu überfluten und wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Das ergibt keinen Sinn. Viel naheliegender ist, dass solche Entwicklungen in erheblichen Ineffizienzen im chinesischen Markt begründet sind, die zunehmend auftreten, seit die Wirtschaft unter Präsident Xi wieder stärker im politischen Einfluss steht als noch unter seinen Vorgängern.

Das politische Ziel eines hohen Wachstums und Fehlanreize führen zu massiver Überproduktion, und diese wiederum dazu, dass China auf seiner Suche nach Absatzmärkten im Ausland eine Branche nach der anderen dominiert und übernimmt. Die Produktion massiver Überkapazitäten zeigt sich am chinesischen Immobilienmarkt – könnte man Wohnhochhäuser exportieren, China würde es längst tun. Solarmodule, Wärmepumpen und E-Autos dagegen lassen sich leicht mit Containerschiffen über die ganze Welt verteilen. Hier muss man mit China verhandeln und zu einer Einigung kommen. Und im Zweifel könnten vielleicht auch gezielt Zölle notwendig sein, als Verhandlungsmittel und im Rahmen der WTO-Regeln.

Abschließend noch ein Wort zur Werte-Diskussion: Für Unternehmen gibt es keine „moralisch“ guten oder schlechten Länder. Hier halten sie sich im Grunde an das Credo unseres Bundespräsidenten a.D. Joachim Gauck, der auf dem Lupus alpha Investment Fokus gesagt hat: „Es gibt gute Gründe, zu unseren Werten zu stehen, ohne, dass wir meinen, alle Welt mit unseren Werten missionieren zu müssen und so unseren eigenen Interessen zu schaden.“ Was garantiert nicht hilft, ist eine Politik der verbrannten Erde mit undiplomatischer Kommunikation. China ist ein erstklassiger Kunde – und so sollte man sich diesem Land gegenüber auch verhalten.

Wie stehen Sie zum Umgang mit China? Ich freue mich über Ihren Kommentar an leitwolfsview@lupusalpha.de

 

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