Herr Raviol, was ist von 2023 zu erwarten – warum sollte man jetzt in Volatilität investieren?
Raviol: Es ist nicht so anders als Anfang 2022: Niemand weiß, was bis Jahresende die beste Anlageklasse sein wird. Es braucht also Diversifizierung. Außerdem sind wir zuversichtlich, dass 2023 ein gutes Jahr für unseren Publikumsfonds Lupus alpha Volatility Risk-Premium wird – unsere Ertragserwartung liegt aktuell bei etwa 7%. Der Januar ist natürlich noch nicht wegweisend, es kann noch viel passieren. Aber mit einer Performance von 1,96%1 ist der Fonds schon gut ins neue Jahr gestartet.
Auch im Krisenjahr 2022 hat Ihre Volastrategie sehr gut abgeschnitten, eigentlich sogar besser alle großen Anlageklassen. Woran lag das?
Raviol: Unser Anspruch ist es, Investoren eine möglichst marktunabhängige Renditequelle zu erschließen. In dieser Disziplin lag unser Publikumsfonds mit einem Minus von lediglich 2,8%2 hervorragend im Rennen. Globale Staatsanleihen haben ihre Investoren mit -12,8% schockiert, auf der Aktienseite gab der in EUR gesicherte MSCI World sogar 18,1% ab.2 Grundsätzlich gehören Anleihen und Aktien natürlich in jedes breit aufgestellte Portfolio. Aber 2022 hat gezeigt, dass unsere Volatilitätsstrategie in der Lage ist zu diversifizieren und zu stabilisieren.
Und jetzt erwarten Sie 7% … woher kommt Ihre Zuversicht?
Raviol: Die Erfahrung zeigt, dass Nachkrisenjahre besonders starke Jahre im Fonds sind. Denn viele Marktteilnehmer wollen zwar in Aktien investieren und die Renditechancen nutzen, sich aber gleichzeitig vor zu großen Wertschwankungen schützen. Hier setzt unsere Strategie an, denn ihr Grundgedanke gleicht dem einer Versicherung: Wir übernehmen für meist institutionelle Aktienanleger das Risiko unerwartet hoher Volatilität und erhalten im Gegenzug Prämienzahlungen. Nach einer Marktkrise steigt dieses Bedürfnis und damit die Nachfrage nach Absicherung, man könnte sagen gebranntes Kind scheut das Feuer. Außerdem ist man bereit, höhere Prämien zu zahlen.
Aber mit steigender Nachfrage müsste doch auch das Angebot steigen …
Langfristig vielleicht, aber zuletzt ist es sogar gesunken, weil sich viele Verkäufer von Volatilität, also Anbieter dieser Art Versicherung, nach dem Corona-Crash 2020 aus dem Markt zurückgezogen haben. Sie sind an der extremen Marktlage damals gescheitert. Wir hingegen konnten bewiesen, dass wir mit extremen Märkten umgehen und das Risikomanagement im Griff haben. Jetzt trifft die hohe und weiter steigende Nachfrage nach Volatilität auf ein strukturell niedrigeres Angebot. Davon profitiert unsere Strategie und damit auch unsere Investoren.
Das klingt nach einer Sondersituation. Aber wie sieht es längerfristig mit der Prämie aus?
Schon richtig, das Jahr nach einer Krise stellt eine besonders günstige Einstiegschance dar, also eine Sondersituation. Es rückt nach Krisen eben stärker ins Bewusstsein, was am Markt passieren kann. Nach aller Erfahrung dürfte dieser Zustand besonders ausgeprägter Prämien noch einige Zeit anhalten. Das macht die Anlageklasse Volatilität auch perspektivisch hochattraktiv.
Was, wenn die Märkte längere Zeit seitwärts laufen?
Raviol: Der Ertragsmodell dieser Strategie besteht ja in Prämienzahlungen. Wichtig ist allein, dass die tatsächlich eintretende Volatilität unter den Erwartungen der Marktteilnehmer liegt. Wegen der stetigen Prämieneinnahmen sind keine steigenden Märkte notwendig, um positive Erträge zu erzielen. Auch deshalb kann Volatilität als eine der Assetklassen mit einer interessanten und diversifizierenden Rolle im Kontext des Gesamtportfolios angesehen werden.
Langfristig werden sich diese Sondereffekte wieder nivellieren. Wo bleibt dann die Prämie?
Auch das ist natürlich richtig, das Angebot könnte mit der Zeit wieder steigen und die seit einigen Jahren erhöhte Nachfrage wird sich möglicherweise wieder etwas normalisieren. Allerdings ist die Volatilitätsrisikoprämie eine seit mehr als 30 Jahren etablierte, stabil am Markt zu beobachtende Risikoprämie mit im Durchschnitt ca. 3-4%. Sie ist theoretisch ebenso wie empirisch sehr gut belegt.
Volatilitätsrisikoprämie ist ja ein furchtbar sperriger Begriff!
Raviol: Kein Widerspruch von mir in dieser Sache, aber auch unsere virtuosen Schreiber aus der PR können uns bisher keine überzeugende Alternative anbieten – wir kürzen gerne einfach mit VRP ab.
Woher kommt diese VRP denn?
Das hat mit der Neigung der Marktteilnehmer zu tun, die künftige Marktvolatilität zu überschätzen. Damit ist auch die Differenz zwischen erwarteter und später tatsächlich eintretender Volatilität im langjährigen Durchschnitt positiv. Im Ergebnis sind die im Mittel gezahlten Prämien höher als die Auszahlungen im Schadensfall. Damit handelt es sich hier um eine der wenigen wirklichen Risikoprämien am Markt.
Manche Investoren können eine gewisse Volatilität durchaus verkraften, wollen sich aber gegen extreme Ereignisse absichern. Wie sieht es da mit den Risikoprämien aus?
Raviol: Auch die Nachfrage zur Absicherung von Tail-Risiken, also gegen extrem starke Marktschwankungen wie 2020, ist stark gestiegen, während das Angebot noch stärker eingebrochen ist. Auch das führt zu sehr viel höheren Volatilitätsrisikoprämien und in unserer Strategie zu einem gewissen Schutz gegen starke Marktbewegungen – auch hier lag einer der Gründe für das gute Abschneiden unserer Strategie im vergangenen Jahr.
Dennoch – Ihre Renditeerwartung für 2023 erscheint mutig …
Raviol: Keineswegs. Ich halte es für realistisch, dass wir in unserem Optionsportfolio etwa 4% mit Prämieneinnahmen erzielen können. Hinzu kommen gut 3% relativ verlässlich aus unserem Basisportfolio.
Prämieneinnahmen aus dem Optionsportfolio – das müssen Sie erklären …
Wir hatten schon den Vergleich mit der Versicherung. Aber anders als zum Beispiel bei einer Haftpflichtversicherung funktioniert die Versicherung gegen hohe Volatilität völlig effizient und anonym mittels hochliquider börsengehandelter Optionen. Technisch funktioniert das, indem wir Optionen auf liquide Indizes verkaufen, in denen es eine hohe Nachfrage nach Absicherung von Volatilität gibt. Wir konzentrieren uns dabei auf die Aktien-Kernmärkte Euro Stoxx 50 sowie S&P 500. Auf diese Weise erschließen wir unseren Investoren eine alternative Anlageklasse mit einfach abzubildenden Instrumenten und einem klaren Wirkungsmechanismus.
Aber der Preis einer Option wird doch vor allem davon beeinflusst, dass der Markt steigt oder fällt. Welche Rolle spielt der Markteinfluss bei Ihnen?
Die Rendite aus den Aktienmärkten spielt keine Rolle, weil wir mithilfe von Futures die Aktiensensitivität aus dem Portfolio herausfiltern und so das Aktienmarktrisiko neutralisieren – eine andere Funktion haben diese Instrumente in unserem Portfolio nicht. Damit erschließen wir unseren Investoren die Volatilitätsrisikoprämie in Reinform. Eine Vermischung mit der Aktienrisikoprämie wollen wir nicht, hier stehen Investoren andere Instrumente zur Aktienanlage zur Verfügung.
Außerdem haben sie das Basisportfolio erwähnt – was hat es damit auf sich?
Die Optionen selbst haben keinen Cashbedarf, insofern besteht das Portfolio zum weitaus größten Teil aus kurzlaufenden, besicherten Euro Anleihen sehr guter Bonität. Wichtig ist, dass die Anleihen keine zusätzlichen Risiken mit sich bringen, denn nur so lässt sich der volle Diversifikationseffekt erreichen. Nun hat das Basisportfolio in den vergangenen Jahren wegen der negativen Verzinsung leider gegen die Portfoliorendite gearbeitet. Nach dem extremen Zinsanstieg letztes Jahr ist die Verzinsung des Basisportfolios erstmals seit 2015 wieder positiv.
Kauft man sich also in Wahrheit ein Rentenportfolio mit angehängtem Derivateanteil?
Raviol: Optisch ja, aber das eigentliche Potenzial aus aktivem Management liegt natürlich im Optionsportfolio. Trotzdem ist es natürlich schöner, wenn das Basisportfolio mit seinen Zinsbeiträgen zur Gesamtrendite beiträgt und diese nicht wie in den vergangenen Jahren wegen des Negativzinses sogar belastet.
Trotz allem: 2020 hat gezeigt, dass es auch mal kräftig runtergehen kann …
Raviol: Auch für unsere Vola-Strategie gilt die alte Börsenweisheit „There is no free lunch“. Solange die Volatilität unter dem versicherten Niveau bleibt, verbleiben die Prämien im Fonds und fließen als Rendite an unsere Investoren. Übersteigt die Volatilität das versicherte Niveau, entspricht das einem Versicherungsfall. Dann zahlen wir an die Volatilitätskäufer – um im Bild zu bleiben – die Versicherungssumme aus. Richtig unter Druck gerät dieses Renditemodell, wenn die Volatilität an den Aktienmärkten besonders stark ausschlägt. Die Coronakrise bot dafür ein extremes Beispiel, als die Volatilität im S&P 500 in kürzester Zeit von Niveaus um die 15 schlagartig auf Werte von teilweise über 90 im Handelsverlauf nach oben schoss. Die Drawdowns waren hoch und unser Publikumsfonds schloss das Jahr mit einem Verlust von 9,16%3 ab. Es folgten jedoch 13,06%4 Gewinn im Jahr danach, der Verlust war 2021 wieder ausgeglichen – ein weiteres Beispiel für die Stärke unserer Strategie nach Krisen.
Wie sieht es aus, wenn wir noch weiter zurückblicken?
Raviol: Den Publikumsfonds verwalten wir erst seit 2015, aber schon seit 2006 bieten wir Volatilitätsstrategien in Spezialfondsmandaten an. In dieser Zeit gab es nur drei Jahre mit Verlusten und immer zeigte sich ein vergleichbares Muster – auf ein besonders schwaches Jahr folgte ein sehr starkes.
1 Quelle: Lupus alpha. Wertentwicklung des Lupus alpha Volatility Risk-Premium C vom 31.12.2022 bis 31.01.2023.
2 Quelle: Lupus alpha, Bloomberg. Wertentwicklungen vom 31.12.2021 bis 31.12.2022. Globale Staatsanleihen repräsentiert durch Bloomberg Global Aggregate Treasuries Total Return Index hedged Euro. Wertentwicklungen des MSCI World Euro hedged und Lupus alpha Volatility Risk-Premium C.
3 Quelle: Lupus alpha. Wertentwicklung des Lupus alpha Volatility Risk-Premium C vom 31.12.2019 bis 31.12.2020.
4 Quelle: Lupus alpha. Wertentwicklung des Lupus alpha Volatility Risk-Premium C vom 31.12.2020 bis 31.12.2021.
Stand des Interviews: 10.02.2023.
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