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Deutsche Nebenwerte

„Auf Dauer kommt der Markt an den Gewinnen nicht vorbei“

Kranker Mann Europas, wachstumsmäßig Klassenletzter der Industrienationen – die Stimmung bezüglich Deutschlands Wirtschaft ist am Boden. Auslöser unter anderem: hohe Energiepreise, marode Infrastruktur und Unzufriedenheit mit der Ampel-Politik. Die DAX-Unternehmen stehen an der Börse dennoch gut da, während die Nebenwerte leiden. Völlig zu Unrecht, sagt Björn Glück, Partner und Portfolio Manager des Lupus alpha Smaller German Champions. Und nimmt drei Vorurteile gegenüber Small und Mid Caps auseinander.

 

 

16.05.2024

Herr Glück, in Deutschland herrscht der Standort-Blues. Und wenn in deutsche Aktien investiert wird, dann in Large Caps, nicht Small & Mid Caps. Woran liegt das?

Ich höre aktuell meist drei Gründe, weshalb Nebenwerte gemieden werden: Sie seien erstens zyklischer, zweitens höher verschuldet und legten drittens den Fokus zu stark auf Deutschland und Europa. Das sind aber größtenteils Vorurteile. Zum ersten Punkt: Nebenwerte sind nicht per se Zykliker. Studien zeigen beispielsweise, dass Unternehmen, die in den MDAX oder SDAX aufsteigen, schneller wachsen als Large Caps und in der Regel ein strukturelles Wachstum aufweisen. Sie hängen nicht so stark an der Konjunktur wie etwa Großkonzerne oder Konglomerate. Sicher gibt es im Nebenwertebereich auch klassische Zykliker, etwa aus der Stahl-, Chemie- oder Autobranche. Sie haben aber im MDAX und SDAX kein höheres Gewicht als im DAX.

Sie erwähnten auch die höhere Verschuldung. Stimmt das auch nicht?

Oft heißt es ja, dass Small- und Mid Caps höher verschuldet seien als Large Caps und daher mehr unter den gestiegenen Zinsen litten. MDAX-Unternehmen weisen tatsächlich im Schnitt eine höhere Verschuldung auf. Allerdings ist der Anteil der Unternehmen mit negativer Verschuldungsposition – die also „netto cash“ sind – im MDAX höher als im DAX. Man darf ohnehin nicht vergessen, dass die Heterogenität im Small und Mid Cap-Bereich groß ist. Es gibt genügend Unternehmen mit sehr solider Bilanz sowie viele, die überhaupt keine Probleme haben, an Finanzierungen zu kommen. 

“Bei vielen Unternehmen sind Umsätze und Margen in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen, der Kurs hat sich aber halbiert.” 
Björn Glück
Portfolio Manager Deutsche Small & Mid Caps

Nebenwerte gelten, wie Sie sagten, auch als stark deutschland- oder europalastig. Und hierzulande läuft die Konjunktur nicht gut, während sich die USA sehr robust zeigen…

In der Tat gibt es viele Nebenwerte mit Deutschland- oder Europa-Fokus, der Punkt wird aber überbewertet. Deutschland ist immer noch extrem exportstark, und das bezieht sich nicht nur auf die großen Konzerne. Der Exportüberschuss bleibt sehr hoch, mit 7 Prozent sogar zu hoch nach Maßgabe der EU-Kommission. Die hält schon einen dauerhaften Überschuss von 6 Prozent gemessen am BIP für potenziell schädlich. Von der Exportstärke profitieren zudem auf den hiesigen Markt ausgerichtete Zulieferer, etwa für die Auto- oder die Chemieindustrie. 

Wir sollten also mit diesen Vorurteilen aufräumen und aufhören, alle Nebenwerte in eine Schublade zu stecken. Viele kleinere und mittelgroße Unternehmen stehen besser da, als behauptet wird. Es gibt im MDAX Unternehmen, die sich hinter DAX-Unternehmen überhaupt nicht verstecken müssen. Bei vielen sind Umsätze und Margen in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen, der Kurs hat sich aber halbiert. 

Gibt es aus Ihrer Sicht noch andere Gründe, die Investoren hierzulande lieber zu Large Caps greifen lassen?

Viele sind wegen Corona-Pandemie, Ukraine- und Nahostkrieg immer noch im Krisenmodus. Daher wollen sie liquide bleiben und setzen lieber auf Large Caps. Wer antizyklisch denkt, hat aktuell Probleme Engagements in Deutschland zu verteidigen. Wenn es nicht gleich rund läuft, kommen Vorwürfe wie: Liest Du keine Zeitung? Wie kannst Du nur in Deutschland investieren? 

Können Sie Ihre These der drei Vorurteile mit konkreten Unternehmensbeispielen erläutern?

Krones ist ein Beispiel, der Hersteller von Anlagen und Maschinen für die Getränkeindustrie. Krones gehört von der Branche her zum Maschinenbau. Mit einem Top-Down-Ansatz wird Krones dann schnell aussortiert, denn der Maschinenbau gilt als zyklisch. Krones ist aber kein Zykliker. Die Kunden sind Getränkeanbieter, und Getränke werden immer gekauft. Krones wächst seit 20 Jahren um im Schnitt 6 Prozent pro Jahr. Auftragsbestand und -eingang befinden sich auf Rekordniveaus. Die Margen steigen. Der Gewinn lag 2023 so hoch wie noch nie. Von hoher Verschuldung kann auch keine Rede sein. Krones ist zudem ein sehr internationales Unternehmen. 70 Prozent der Umsätze werden außerhalb Europas erwirtschaftet, früher vor allem in China, heute in Ländern wie Indonesien oder Mexiko. Außerdem ist die Bewertung so niedrig wie schon lange nicht mehr: Früher lag das KGV typischerweise bei 15, jetzt sind es nur 11.

Sie erwähnten die Autoindustrie, die ja als sehr zyklisch gilt…

Dass das nicht unbedingt stimmt, zeigt das Beispiel von Fuchs, dem Schmierstoffunternehmen. Tatsächlich entfällt rund die Hälfte des Umsatzes auf die Autoindustrie. Aber die Produkte sind gut, der Service stimmt. Die Entwicklung des Gewinns je Aktie von Fuchs Petrolub ist beeindruckend: Jahr für Jahr ein Anstieg, von 1 Cent 1999 bis auf rund 3 Euro aktuell. 2023 hat Fuchs Petrolub einen Rekordgewinn erwirtschaftet, 2024 soll es noch einmal mehr sein. Auch Fuchs Petrolub ist nicht verschuldet, vielmehr kommt dem Unternehmen das Geld fast aus den Ohren heraus. 

Hätten Sie noch andere Beispiel für verkannte Unternehmen?

Auch der Optoelektronik-Konzern Jenoptik wird unterschätzt. 60 Prozent der Umsätze und 80 Prozent der Gewinne stammen aus der Halbleiterindustrie. Die Kunden sind die ganz Großen der Branche, etwa ASML und Applied Materials. Für ASML ist Jenoptik so wichtig, dass von Jenoptik eine Kapazitätserhöhung erbeten wurde. Doch was nicht zusammenpasst: Die Aktienkurse der Halbleiterhersteller sind seit vergangenem Herbst explodiert, Jenoptik darbt hingegen vor sich hin. Und ja, Jenoptik liefert auch an die Autoindustrie, daher auch der Abschlag an der Börse. Der Teil soll aber verkauft werden. 

Ein anderes Beispiel, der Verpackungshersteller Gerresheimer. Gerresheimer ist zwar relativ hoch verschuldet. Das ist aber völlig unproblematisch. Die Nachfrage nach den Produkten ist konjunkturunabhängig. Das Wachstum ist hoch. Das Ebitda steigt. Dadurch wird Gerresheimer die Schulden leicht abbauen können. Gerresheimer wurde an der Börse wegen der stark gestiegenen Energiepreise abgestraft. Dabei steht nur eins der sechs Werke in Deutschland. 

Lange verkannt wurde auch der Großküchenausrüster Rational. Seit 20 Jahren wächst das Unternehmen Jahr für Jahr um fast 10 Prozent – mit kurzer Unterbrechung durch die Pandemie. Schulden hat Rational nicht, außerdem einen hohen Free Cashflow. Und Rational erwirtschaftet fast zwei Drittel des Umsatzes außerhalb von Europa. Hier ist die Bewertung zuletzt aber schon gestiegen.

“Alle reden über antizyklisches Investieren, aber fast alle agieren zyklisch."
Björn Glück
Portfolio Manager Deutsche Small & Mid Caps

Dennoch, das Comeback der Small und Mid Caps steht noch aus. Was könnte der Auslöser für eine tatsächliche Aufholjagd sein? 

Es kann auf Dauer nicht unbemerkt bleiben, dass es vielen Nebenwerten so gut geht. Ein Auslöser könnten die anstehenden Leitzinssenkungen sein. Außerdem dürfte die Konjunktur auch in Europa und in China irgendwann in diesem Jahr wieder anziehen. Zum Teil ist dies schon erkennbar, etwa in der als frühzyklisch geltenden Chemiebranche. Auch bei den Stimmungsindikatoren gibt es erste Verbesserungen. Zudem scheint die Inflation weitestgehend im Griff, und die Löhne wachsen real. 

So mancher verliert den Mut, in den Standort Deutschland zu investieren. Wie stehen Sie dazu?

Alle reden über antizyklisches Investieren, aber fast alle agieren zyklisch. Nebenwerte sollte man immer im Portfolio haben, gerade deutsche. Und um ein Portfolio mit Unternehmen zu bestücken, für die die Vorurteile nicht gelten, gibt es genügend Auswahl. Man muss nur die Richtigen finden – und genau das ist die Aufgabe eines Portfolio Managers. 

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Lupus alpha Smaller German Champions

Welt am Sonntag: Der optimale Zeitpunkt ist immer.

Das Investment: Björn Glück - Pakt unter Wölfen

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